Sentimental Value: Kritik zum Film – Leise Töne, große Wirkung!

Sentimental Value 2025 Film
TitelSentimental Value
Genre Drama
Jahr2025
FSK12
RegieJoachim Trier

Kinostart: 04.12.2025

Renate Reinsve beweist einmal mehr ihre magnetische Leinwandpräsenz

Ingmar Bergman und Liv Ullmann, David Lynch und Kyle MacLachlan, Quentin Tarantino und Uma Thurman – fast jeder große Regisseur hat eine schauspielerische Muse, bei der die Chemie einfach stimmt und die gemeinsam Werke erschaffen, die in der Filmgeschichte unvergessen bleiben werden. Nach „Der schlimmste Mensch der Welt“, der für zwei Oscars nominiert wurde, scheint auch Regisseur Joachim Trier in Renate Reinsve seine Muse gefunden zu haben. Für „Sentimental Value“ arbeiteten die beiden erneut zusammen und ernteten nach dem Sieg beim Cannes Filmfestival zum zweiten Mal Oscar-Buzz.

Sentimental Value 2025 Film
Sentimental Value ©Plaion Pictures

Doch nicht nur Renate Reinsve stand für Triers neues Werk vor der Kamera – auch Hollywoodstars wie Stellan Skarsgård und Elle Fanning sind mit von der Partie und erzählen eine berührende Geschichte über eine zerbrochene Familie und die Aufopferung für die eigene Kunst. Nach dem Tod ihrer Mutter werden die Schwestern Nora (Renate Reinsve) und Agnes (Inga Ibsdotter Lilleaas) mit ihrem entfremdeten Vater Gustav (Stellan Skarsgård) konfrontiert. Der erfolgreiche Regisseur versucht, die verlorene Verbindung zu seinen Töchtern wiederherzustellen und bietet Nora die Hauptrolle in seinem neuesten Film an. Diese lehnt ab, woraufhin Gustav die junge Schauspielerin Rachel Kemp (Elle Fanning) engagiert. Doch die Arbeit an dem Film bringt alte Wunden zum Vorschein und lässt Emotionen in der Familie aufkochen, die lange verdrängt waren.

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Eine ehrliche und schmerzhafte Erkundung von Familienbanden und der Last der Vergangenheit

„Es ist fast so, als wäre er dabei gewesen“, sagt Agnes zu ihrer älteren Schwester Nora, als sie über das Drehbuch ihres Vaters sprechen. Und besser lassen sich die Werke von Joachim Trier kaum beschreiben. Es ist, als dringe er in das Leben des Zuschauers ein, fange den Kern einer ganzen Generation ein und hole Gefühle hervor, von denen man manchmal nicht einmal wusste, dass sie existieren. Und selbst wenn man sich mit dem ein oder anderen Thema nicht auf persönlicher Ebene identifizieren kann, macht Trier diese durch seine Herangehensweise dennoch greifbar und erschafft ein Gefühl von Nähe. „Sentimental Value“ geht tief und fühlt sich an wie aus dem echten Leben gegriffen. Gustav stellte sein ganzes Leben lang seinen Beruf über seine Familie und versucht nun, auf beruflicher Ebene wieder Nähe zu seinen Töchtern aufzubauen. Nora ist distanziert – sowohl zu ihm als auch in ihrem Liebesleben. Agnes steckt irgendwo dazwischen, und Schauspielerin Rachel wird das Gefühl nicht los, als Tochterersatz zu dienen, steht aber zugleich vor einem großen Schritt in ihrer Karriere. Und obwohl jeder dieser Charaktere so unterschiedlich ist, ist doch alles miteinander verwebt: Das Schicksal des einen ist das Resultat der Fehler des anderen. Dennoch kann man jede Sichtweise, jeden Standpunkt, irgendwie nachvollziehen, weil Trier es schafft, seine Figuren so komplex und menschlich zu schreiben.

Sentimental Value 2025 Film
Sentimental Value ©Plaion Pictures

Und auch so real: Nora kann sich auf die Annäherungsversuche ihres Vaters nie ganz einlassen, auch wenn man spürt, dass ein Teil von ihr genau diese Nähe und Bestätigung sucht. Agnes hingegen, die jüngere Schwester, ist weitaus versöhnlicher, doch ein gewisser Groll brodelt auch in ihr. Trier gelingt es, diesen inneren Kampf seiner Charaktere subtil und authentisch zu vermitteln. Dabei hilft das fantastische Ensemble, bei dem niemand sich vor dem anderen verstecken muss. Renate Reinsve, die schon in „Der schlimmste Mensch der Welt“ im Mittelpunkt stand, hat einfach ein Gespür dafür, in vielschichtige Figuren einzutauchen und darin vollkommen aufzugehen – nicht immer sympathisch, oft fehlerhaft, mit vielen Ecken und Kanten, aber immer zugänglich. Neben der komplizierten Familiendynamik ist „Sentimental Value“ auch ein Liebesbrief an die Filmkunst und gleichzeitig ein leicht verbitterter Blick auf die moderne Filmkultur: das Streamingzeitalter, in dem Filme absichtlich simpler gestaltet werden, um beim Scrollen nicht zu viel Aufmerksamkeit zu verlangen – und dadurch die Gefahr besteht, dass die künstlerische Kraft des Mediums verloren geht. Doch auch wenn Trier viele ernste und tiefgehende Themen behandelt, tut er dies immer mit einem Hauch von Humor. Wie in jener Szene, in der Gustav seinem kleinen Enkel die Filme „Irreversible“ und „The Piano Teacher“ auf DVD schenkt – und damit hoffentlich die Liebe zum Film an die nächste Generation weitergibt.

Sentimental Value 2025 Film
Sentimental Value ©Plaion Pictures

Fazit

Joachim Trier bleibt seinem Stil treu: leise Töne, große Wirkung. „Sentimental Value“ reflektiert, wie Kunst als Brücke zwischen Menschen dienen kann – und wie dünn diese Brücke manchmal ist. Die Figuren sind komplex, ihre Konflikte ehrlich, ihre Emotionen spürbar, ohne dass der Film sie ausstellt. Gerade in Momenten der Stille entfaltet Trier seine stärkste Ausdruckskraft und beweist, dass echtes Drama nicht laut sein muss, um zu treffen. Ein leiser, ehrlicher und bewegender Blick auf das, was bleibt, wenn Worte versagen und Bilder zu sprechen beginnen.

Bewertung: 4 von 5.
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