DER WATCHDOG

Titel	Hochzeitsreise
Genre	Romanze, Komödie
Jahr	2024
FSK	12
Regie	Elie Semaan

Verheiratet um jeden Preis

Eingebettet in kulturelle Normen und historische Traditionen, ist die Institution der Ehe ein nicht tot zu kriegendes Phänomen, das gleichermaßen sozialen Zwängen wie gesellschaftlichen Erwartungen unterliegt. Unter dem Mantel der vermeintlichen Romantik und der sozialen Akzeptanz verbirgt sich oft ein subtiler Druck, der individuelle Lebensentscheidungen beeinflusst. Die Frage drängt sich auf: Warum heiraten wir? Ist es die Sehnsucht nach Bindung und Sicherheit oder doch nur die Angst vor dem Alleinsein? Ein Überbleibsel vergangener Zeiten, als die Ehe eine ökonomische und gesellschaftliche Notwendigkeit war? Vielleicht liegt die wahre Freiheit darin, die Entscheidung für oder gegen die Ehe nicht als gesellschaftliche Erwartung, sondern als individuelle Wahl zu betrachten – eine Wahl, die auf authentischer Selbstreflexion und persönlicher Erfüllung beruht. Noor und Hamad jedenfalls heiraten aus den falschen Gründen – im Netflix Original „Hochzeitsreise“, einer romantischen Komödie aus Kuwait.

Und darum geht es…

Als Noor (Nour Al Ghandour) erfährt, dass ihr Freund in Wirklichkeit ein Doppelleben mit einer anderen Frau führt und diese vor wenigen Tagen sogar geheiratet hat, ist sie außer sich und sinnt auf Rache. Währenddessen hat Jungunternehmer Hamad (Mahmoud Boushahri) ein ganz anderes Problem: Sein Vater droht ihm den Geldhahn abzudrehen, was der Todesstoß für seine frisch gegründete Firma wäre, wenn er nicht in den nächsten zwei Wochen eine Frau findet, die mit ihm vor den Altar tritt – Enkelkind inklusive! Trotz offensichtlicher Differenzen entscheiden sich die zu diesem Zeitpunkt wildfremden zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen. Noor und Hamad werden heiraten. Was als Racheakt gegenüber den Ex und widerwillige Anbiederung an die Wünsche des Vaters beginnt, nimmt schnell eine unerwartete Eigendynamik…

Andere Länder, andere Sitten, dieselben RomComs

Ob Architektur, Sprache, Kleidung oder Essen – kein Land gleicht dem anderen. Nur in Sachen romantischer Komödien, scheint es eine stillschweigende Übereinkunft zu geben, die besagt, ja nichts an der klassischen Rezeptur zu verändern. Schaut man sich einmal auf Netflix um und vergleicht die Liebesabenteuer der unterschiedlichsten Nationen miteinander – „Kein Druck” (Polen), „Wand an Wand” (Spanien), „Irish Wish” (Irland), “Letzter Aufruf für Istanbul” (Türkei) – stellt man schnell fest, dass sie alle ein und demselben Prinzip folgen – und das ist durch und durch amerikanisiert. So auch „Hochzeitsreise“, ein an westliche Sehgewohnheiten angepasste Liebesbeitrag aus Kuwait, der abgesehen von zwei dann doch sehr befremdlichen kulturellen Einschlägen wie ein Chamäleon mit seinen großen Vorbildern aus Übersee nahezu deckungsgleich verschmelzt. Für RomCom-Fans bedeutet das more of the same, also im erfreulichen Sinne – für alle anderen auch, nur eben negativ konnotiert.

Was „Hochzeitsreise“ trotz der klassischen Struktur dann doch etwas „anders“ wirken lässt, ist einerseits die Selbstverständlichkeit mit der hier Cousins und Cousinen verheiratet werden, sowie das scheinbare Problem, dass Noor und Hamad eventuell von derselben Frau gestillt wurden, was die beiden laut einer in Kuwait verbreiteten Tradition, bei der eine stillende Amme wörtlich übersetzt als “Mutter des Kindes” bezeichnet wird, zu „Geschwistern“ macht – wenn auch nicht rechtlich oder biologisch. Auch wenn sich „Hochzeitsreise“ klar in Richtung Selbstbestimmung und dementsprechend gegen den blinden Gehorsam veralteter Normen positioniert, wirkt das Netflix Original ähnlich eingestaubt wie so ziemlich alle selbstproduzierten RomComs des Streamingdienstes. Die Dialoge sind hölzern, der Kitsch omnipräsent und der schon zu Mario Barths Zenit vor gefühlt 50 Jahren unlustige Mann-Frau-Humor wirkt 2024 dann doch noch mal ein gutes Stück unlustiger. Wer mit jeder Art von romantischer Komik Spaß hat, kann ja mal reinschauen – und der Rest, der macht sowieso einen großen Bogen um diese Art von Film oder guckt zum x-ten Mal eine wirklich gelungene Romanze der Marke “Crazy Stupid Love”. Die gibt, oder besser gesagt, gab es nämlich auch!

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