| Titel | The Great Flood |
| Genre | Sci-Fi, Drama |
| Jahr | 2025 |
| FSK | 12 |
| Regie | Kim Byung-woo |
Starttermin: 19.12.2025 | Netflix
Gestrandet im Wolkenkratzer
Wenn die Welt untergeht, dann selten leise. Dann verbrennt sie in der gleißenden Hitze von „2012“, wird vom Himmel erschlagen wie in „Deep Impact“ oder ertrinkt in den endlosen Wassermassen von „Geostorm“. Das Kino liebt die große Geste der Apokalypse: einstürzende Städte, berstende Dämme, ein Planet im Fieber. Der Mensch schrumpft dabei zur Ameise, hastig, namenlos, reduziert auf Flucht und Instinkt. Was in seinen Köpfen vorgeht, bleibt Nebensache. Entscheidend ist das Ausmaß der Zerstörung, nicht die innere Erschütterung. Zumindest, wenn man den gängigen Drehbüchern folgt. Doch Katastrophen sind mehr als Spektakel. Sie sind Prüfsteine für Moral, Beziehungen und Menschlichkeit. Vielleicht gelingt es ja Netflix’ „The Great Flood“, den Blick endlich dorthin zu lenken, wo es wirklich weh tut: auf Menschen, die nicht nur vor dem Untergang fliehen, sondern vor sich selbst.

Das Setting, das „The Great Flood“ skizziert, ist ein Rückgriff auf Bewährtes: Ein katastrophaler Asteroideneinschlag hat die Welt aus dem Gleichgewicht gebracht. Der Meeresspiegel steigt, ganze Städte versinken, und der Rückzug der Menschheit endet in den oberen Stockwerken ihrer eigenen Bauwerke. In einem halb überfluteten Hochhaus kämpft die Wissenschaftlerin An-na (Kim Da-mi) darum, mit ihrem Sohn (Kwon Eun-seong) zu überleben. Doch ihr Überleben ist kein Zufall: Der Sicherheitsbeamte Hee-jo (Park Hae-soo) bricht zu einer riskanten Rettungsmission auf, da An-na aufgrund ihrer wissenschaftlichen Arbeit als entscheidender Schlüssel für die Zukunft der Menschheit gilt. Während das Wasser unaufhaltsam Stockwerk um Stockwerk verschlingt, wird die Flucht nach oben zu einem Wettlauf gegen die Zeit, bei dem die Grenzen zwischen technologischem Fortschritt und reinem Überlebensinstinkt verschwimmen.

Mehr als nur ein Katastrophenfilm
Erinnerst du dich an „Moonfall“? Als Roland Emmerich ein Katastrophen-Epos versprach – mit sterbenden Menschenmassen, einer gigantischen Zerstörungsorgie und überbordender Endzeitstimmung? Was am Ende dabei herauskam, war – abgesehen von hölzernem Schauspiel und hanebüchenen Dialogen – ein plötzlicher Bruch in die reine Science-Fiction, mehr unfreiwillig komisch als fesselnd. „The Great Flood“ hält nun einen strukturell ähnlichen Twist parat, der dem Genre des klassischen Katastrophenfilms den Rücken dreht, um sich stattdessen einer interessanten Sci-Fi-Prämisse zu verschreiben. Doch im Gegensatz zu Emmerichs Effektgewitter liegt genau hier die größte Stärke des Films. Auch wenn der geübte Filmfan die narrative Fährte bereits nach wenigen Minuten wittert, dient die Enthüllung des koreanischen Netflix Films nicht dem bloßen Schockeffekt, sondern der thematischen Vertiefung. So wandelt sich „The Great Flood“ nach rund der Hälfte seiner Spielzeit von einer klaustrophobischen Überlebensstudie zu einer Reflexion über wissenschaftliche Ethik. Im Kern bleibt er jedoch eine universelle Erzählung über den Mutterinstinkt, der sich gegen die kalte Logik des Überlebens der Spezies behaupten muss.

Regisseur Kim Byung-woo spielt dabei geschickt mit der Grenze zwischen dem Biologischen und dem Synthetischen. Wenn die Realität beginnt, sich in Zeitschleifen oder digitalen Echos aufzulösen, wird „The Great Flood“ zu einem philosophischen, oft kryptischen und bewusst vagen Experiment. Er verweigert die einfache Katharsis eines Katastrophenfilms und stellt stattdessen unbequeme Fragen: Was macht uns menschlich? Ist es unsere physische Präsenz oder die Summe unserer Erinnerungen, die wir in einer künstlichen Ewigkeit konservieren wollen? Dass „The Great Flood“ seine Themen oft nur andeutet und nicht zu Ende formuliert, mag für Liebhaber klassischer Blockbuster frustrierend sein, doch genau dieser Mut zur Lücke lässt ihn aus der Masse der generischen Endzeit-Produktionen hervorstechen. In einer Ära, in der wir bereits jedes erdenkliche Bild einer einstürzenden Brücke gesehen haben, braucht niemand mehr einen weiteren Katastrophenfilm ohne intellektuellen Subtext – und „The Great Flood“ liefert genau das. Ein interessantes Gedankenexperiment, das beweist, dass die wahre Apokalypse nicht im Steigen der Pegel liegt, sondern im Verlust der Menschlichkeit.

Fazit
„The Great Flood“ ist kein gewöhnliches Katastrophenkino, sondern ein mutiges Sci-Fi-Puzzle. Trotz vorhersehbarer Wendungen überzeugt das Netflix Original durch die Themen, die es anspricht – wenn auch nicht frei von Makeln.


