| Titel | Ballad of a Small Player |
| Genre | Drama |
| Jahr | 2025 |
| FSK | 16 |
| Regie | Edward Berger |
Starttermin: 29.10.2025 | Netflix
Colin Farrell in Bergers Glücksspiel-Drama
Sucht ist eine stille Zerstörungskraft. Sie beginnt oft unscheinbar, fast harmlos, und entfaltet sich zu einem unaufhaltsamen Mechanismus, der Gedanken, Gefühle und Handlungen kontrolliert. Wer von ihr ergriffen wird, verliert allmählich den Bezug zu sich selbst und zu seiner Umgebung. Besonders das Glücksspiel verkörpert diese Dynamik in extrem drastischer Form: Die Hoffnung auf den nächsten Gewinn, die Spannung des Risikos und die ständige Möglichkeit des Verlusts erzeugen einen emotionalen Rausch, der jegliche rationale Entscheidung untergräbt. Eine Spirale aus Hoffnung, Verzweiflung und Schuld, die weit über den finanziellen Ruin hinausreicht. Die Filmgeschichte hat diese Mechanik immer wieder reflektiert – von „The Gambler“ bis „Leaving Las Vegas“. Geschichten, in denen Sucht nicht nur als individuelles Versagen, sondern als universelle Triebkraft gezeigt wird: eine Kraft, die Isolation, moralische Ambivalenz und emotionale Erschütterung nach sich zieht. Auch „Ballad of a Small Player“ setzt unmittelbar an diesem Thema an – frisch im Kino gestartet und nun bereits weltweit auf Netflix verfügbar.

In Edward Bergers filmischer Adaption des Romans von Lawrence Osborne wird der compulsive Glücksspieler Lord Doyle (Colin Farrell) in einer opulenten, fremden Welt gezeigt, in der Selbsttäuschung und Verfall untrennbar miteinander verbunden sind. Sein Leben ist geprägt von Schulden, Verlusten und dem unaufhörlichen Drang nach Risiko. Um dem Abwärtstrend zu entkommen, reist er nach Macau, die glitzernde Metropole der Casinos, in der Hoffnung, mit einem großen Gewinn seine prekäre Lage zu stabilisieren. Dort taucht er ein in eine Welt aus Luxus, dekadenten Hotels und prunkvollen Spieltischen – eine äußere Pracht, die im scharfen Kontrast zu seiner inneren Zerrissenheit steht. Doyle bleiben nur drei Tage, um eine Hotelrechnung von rund 40.000 Euro zu begleichen – andernfalls droht ihm nicht nur der Verlust seiner Suite, sondern ein dauerhaftes Betretungsverbot sämtlicher Casinos in Macau. Doch als wäre das nicht genug, sitzt ihm mit Cynthia Blithe (Tilda Swinton) auch noch eine unerbittliche, scharfsinnige Privatdetektivin im Nacken – stets einen Schritt hinter ihm, bereit, jede seiner Bewegungen zu durchschauen.

Zwischen Glanz und Leere
Lord Doyles Anzug sitzt makellos, der Schnurrbart ist akkurat gestutzt, die gelben Handschuhe glänzen wie kleine Rituale des Glücks. Doch unter dieser äußerlichen Perfektion offenbart sich die innere Zerrissenheit: Die Stirn glänzt vor Schweiß, die Augen sind nervös geweitet, Falten graben sich wie Rinnen in die fahle, gezeichnete Haut seines Gesichts. „The Ballad of a Small Player“ spiegelt diesen Kontrast wider: Ein Film, der äußerlich perfekt inszeniert ist – von der Ausstattung über Kameraführung bis hin zu Colin Farrells nuanciertem Spiel – und zugleich die Spuren eines instabilen Drehbuchs trägt. Die Pracht der Bilder und die akribische Detailarbeit erzeugen eine sinnliche Opulenz, die den Verfall der Hauptfigur noch schärfer hervorhebt, doch die narrative Struktur schwankt, verläuft sich gelegentlich in Episoden, die die Spannung dämpfen und die innere Logik der Handlung auf die Probe stellen. Wie Doyle selbst balanciert der Film zwischen Glanz und Abgrund, zwischen Kontrolle und Chaos – ein Spiegel der Obsession, der sowohl fasziniert als auch irritiert.

Was Edward Berger, Deutschlands derzeit prägendster Hollywood-Export, nach seiner Oscar-Offensive mit „Im Westen nichts Neues“ und „Konklave“ in „Ballad of a Small Player“ abliefert, wirkt auf dem Papier wie die perfekte Symbiose aus Stil, Substanz und psychologischer Tiefe. Und doch entfaltet sich dieser rauschhafte Trip durch Macau – Chinas glitzernde Antwort auf Las Vegas – merkwürdig leblos. Berger inszeniert die Stadt als labyrinthisches Traumgebilde aus Licht, Spiegelungen und Glücksspielnächten, als Ort, an dem Realität und Illusion ineinanderfließen. Doch hinter der glänzenden Oberfläche bleibt die emotionale Resonanz erstaunlich flach. Doyles Abstieg in den Wahnsinn wirkt schemenhaft, sein innerer Zerfall andeutet, von der Bildsprache getragen, aber von der Erzählung kaum gestützt. Was als existenzielle Studie eines Süchtigen beginnt, verliert sich so in fragmentarischen Momenten, die zwar ästhetisch makellos, aber erzählerisch diffus wirken. Berger beherrscht die formale Kontrolle, die Präzision des Blicks, und doch entgleitet ihm „Ballad of a Small Player“ inhaltlich – ein Film, der beobachtet, ohne wirklich zu fühlen.

Fazit
„Ballad of a Small Player“ ist damit ein Werk voller Schönheit und Leere zugleich: ein glänzendes Tableau aus Verzweiflung, Schuld und Selbstbetrug, das weniger berührt als betäubt. Wie das Glücksspiel selbst verführt der Film mit der Aussicht auf den großen Gewinn – nur um am Ende die bittere Ernüchterung folgen zu lassen.


