| Titel | Sweetness |
| Genre | Horror, Thriller |
| Jahr | 2025 |
| FSK | ungeprüft |
| Regie | Emma Higgins |
Fantasy Filmfest 2025
Wenn Fanliebe zur gefährlichen Obsession wird
Die Besessenheit von Stars und Idolen nimmt immer bedrohlichere Züge an. Schon früher gab es tragische Fälle, in denen Fans ihren Lieblingsstars nachstellten oder sie gar ermordeten. Und im Zeitalter von Social Media ist es für Prominente nicht unbedingt sicherer geworden. Die Kanadierin Emma Higgins greift dieses Thema in ihrem Regiedebüt „Sweetness“ auf und präsentiert damit beim 39. Fantasy Filmfest eine moderne Variante von „Misery“.

Und darum geht es…
Die 16-jährige Rylee Hill (Kate Hallett) ist fanatisch in den Musiker Payton Eagle (Herman Tømmeraas) verliebt, Mitglied der Pop-Alternative-Band Floorplan. Rylee lebt mit ihrem Vater Ron (Justin Chatwin) und dessen neuer Freundin zusammen, doch seit dem Tod ihrer Mutter ist das Verhältnis durch seine autoritäre Art zunehmend belastet. Nach einem Konzert von Floorplan wird Rylee von niemand Geringerem als Payton angefahren, der offensichtlich high ist, obwohl er in Interviews stets beteuert clean zu sein. Er entschuldigt sich, bietet an sie heimzufahren, bricht dann aber unterwegs zusammen und schläft seinen Rausch in ihrem Bett aus. Für Rylee die Gelegenheit: Um ihr Idol von den Drogen zu befreien, fesselt sie ihn ans Bett und zwingt ihn zum kalten Entzug.

Eine King-Hommage zwischen „Misery“ und Coming-of-Age
Regisseurin Emma Higgins findet sichtlich Gefallen an den Werken von Stephen King. Für ihr Debüt „Sweetness“ diente nicht nur „Misery“ als große Inspiration, auch Einflüsse von „Carrie“ sind unverkennbar. Rylee ist eine Außenseiterin, eine Teenagerin, die sich in ihrer Trauer allein gelassen fühlt, die glaubt, niemand würde sie verstehen – außer natürlich ihr Lieblingskünstler. Sie flüchtet sich in seine Musik, in Texte, die für sie tiefgründig und bedeutungsvoll sind. Auch wenn die Welt darin nur billigen Pop sieht, für sie bedeuten die Songs Komfort und Halt. Wer kennt das nicht? Musik kann wie ein Freund sein, einen über dunkle Momente unterstützend hinweghelfen. Fast jeder von uns hatte in der Jugend eine Phase, in der man eine*n Künstler*in anhimmelte und sich ausmalte, ihn oder sie irgendwann zu treffen. Das macht Rylee so nahbar. Sie ist kein typisches Monster, sie handelt nicht aus Hass oder Wahnsinn, und wird auch nicht von der gleichen Motivation angetrieben wie Vorbild Annie Wilkes, sondern aus einer fehlgeleiteten Vorstellung von Liebe und Hilfe.

Rylee ist eine tragische Figur, die sich komplett in ihren Illusionen verliert und irgendwann selbst denen wehtut, die sie wirklich lieben – auch wenn sie das nicht erkennt. Stattdessen klammert sie sich an eine Fiktion. Payton ist zwar real, doch das sieht sie nicht; sie will ihn zu der Person machen, die er in ihren Träumen ist, dessen Musik sie durch die dunkelsten Momente getragen hat. Higgins trifft damit einen deutlich emotionaleren Ton als das Vorbild „Misery“. „Sweetness“ ist nicht nur Thriller, sondern auch Coming-of-Age-Drama in seiner tragischsten Form. Kate Hallett glänzt mit einer beeindruckenden Performance, wechselt mühelos zwischen süßem Fangirl, verletzlicher Teenagerin und unberechenbarer Obsession. Wo Higgins allerdings schwächelt, ist die Logik: Rylee gerät zwar immer tiefer in die Misere, doch fallen ihr die Lösungen oft wie zufällig in den Schoß. Auf Dauer wirkt das zu konstruiert: bis hin zum Finale, das zwar konsequent ist, manche Zuschauer aber vor den Kopf stoßen dürfte.

Fazit
„Sweetness“ verbindet King-Hommage mit Coming-of-Age-Drama und punktet mit einer starken Hauptdarstellerin. Trotz mancher logischer Schwächen bleibt ein intensiver, tragischer Thriller über Fanliebe, Trauer und Obsession.


