| Titel | Memoiren einer Schnecke |
| Genre | Animation |
| Jahr | 2025 |
| FSK | 12 |
| Regie | Adam Elliot |
Kinostart: 24.07.2025
Zärtlich, schrullig, überzeichnet – zwischen Schmerz und Poesie
Verlust, Einsamkeit, eine Schnecke im Glas. Adam Elliots “Memoiren einer Schnecke” erzählt die Geschichte von Grace Pudel, einer von Schicksalsschlägen gezeichneten Frau, die, überwältigt von Verlust und Einsamkeit, ihr Leben in Briefen und Erinnerungen noch einmal durchwandert. Elliot tut dies mit einer Wärme, die nicht aufdringlich wird, und einem Schmerz, der nie pathetisch wirkt. In einer Stop-Motion-Welt, die bewusst unvollkommen bleibt, offenbart sich eine Figur, deren Rückzug weniger Flucht als zarte Selbstbehauptung ist.

Und darum geht es…
Grace Pudel (Sarah Snook) lebt zurückgezogen mit ihren geliebten Schnecken und einer Sammlung nie abgeschickter Briefe. In verschachtelten Rückblenden entfaltet sich ihre Lebensgeschichte: der frühe Verlust der Mutter (Jacki Weaver), die innige, aber fragile Bindung zu ihrem rebellischen Zwillingsbruder Gilbert (Kodi Smit-McPhee), das Auseinanderbrechen der Familie und ein rastloses Leben zwischen Pflegefamilien, Klinikaufenthalten und Einsamkeit. Ihre Beziehung zur exzentrischen Antiquitätenhändlerin Pinky (Magda Szubanski) wird zu einem unerwarteten Wendepunkt – eine Begegnung, die ihr Halt gibt, ohne sie zu retten.

Ein poetisch überhöhtes Stop-Motion-Melodram mit Herz
“Memoiren einer Schnecke” erzählt das Leben einer Frau, die sich bei allern Rückschläge eine eigensinnige Perspektive auf die Welt bewahrt – geprägt von schrägem Humor, tiefer Traurigkeit und einer Zärtlichkeit für alles Außenseiterische. Ein poetischer, handgefertigter Film über Verluste, Schnecken und das Schreiben als Form des Überlebens. Melancholisch, skurril, liebevoll schief, durchsetzt von schwarzem Humor und tiefem Mitgefühl. Visuell bewegt sich “Memoiren einer Schnecke” fern von digitalem Hochglanz durch eine liebevoll gestaltete Stop-Motion-Welt, die mit charmanten Unvollkommenheiten besticht. Hier ist jede Falte modelliert, jedes Detail spürbar handgemacht, was dem milden Drama eine fragile Schönheit verleiht, die zugleich verletzlich und stark wirkt.

Und dennoch: So viel das Drehbuch an Feingefühl zeigt, so sehr trägt es in seiner Dramaturgie gelegentlich zu dick auf. Die Rückschläge, die Grace erleidet – familiär, sozial, existenziell – reihen sich derart verdichtet aneinander, dass das Erzählte zeitweise ins Melodramatische kippt. Nicht weil die Schicksalsschläge unglaubwürdig wären, sondern weil ihre Häufung einem dramaturgischen Kalkül folgt, das die innere Balance der Geschichte zu überfordern droht. Das Leben spielt hier nicht nur mit – es scheint zu demonstrieren, was alles an Schmerz auf einen einzelnen Menschen projizierbar ist. Doch “Memoiren einer Schnecke” macht sich dieser Überzeichnung zu eigen und verwandelt sie in eine poetische Überhöhung des Unglücks, die weniger Realismus als innere Wahrheit sucht. Grace überlebt nicht trotz, sondern durch ihre Schrulligkeit, durch das Schneckenhafte an ihr – langsam, empfindsam, zäh.

Fazit
Ein fein gearbeitetes, anrührendes Porträt, das nur an einer dramaturgisch überdehnten Schwere etwas verliert.


