| Titel | The Woman in the Yard |
| Genre | Horror, Drama |
| Jahr | 2025 |
| FSK | 16 |
| Regie | Jaume Collet-Serra |
Heimkinostart: 26.06.2025
Schleichender Horror, der unter die Haut geht
Mitten im seelenlosen Kreislauf austauschbarer Schockmomente und Jumpscare-Routinen gelingt “The Woman in the Yard“ das, was zeitgenössischer Mainstream-Horror nur noch selten wagt: Er wird still. Und unheimlich. Jaume Collet-Serra, der nach lauten Studioproduktionen wie “Black Adam“ und „The Jungle Cruise“ zu seinen Wurzeln zurückkehrt, inszeniert einen psychologischen Genrefilm von seltener Suggestivkraft – getragen von Trauer, Schuld und einem leisen Grauen, das sich mit jeder Einstellung tiefer in die Psyche des Publikums gräbt. Was im Indie-Horror längst gang und gäbe ist, fand mit „The Woman in the Yard“ dank des renommierten Labels Blumhouse Productions vor wenigen Wochen seinen Weg auf die Kinoleinwände – und nun, nur wenig später, auch schon ins Heimkino.

Und darum geht es…
Ramona (Danielle Deadwyler), verwitwet, traumatisiert, körperlich wie seelisch angeschlagen, zieht sich mit ihren beiden Kindern auf eine abgelegene Farm in Georgia zurück. Stromausfall, kein Empfang, kaum Vorräte – der Ort wirkt wie ausgeschnitten aus der Welt. Als plötzlich eine schwarz verschleierte Frau (Okwui Okpokwasili) im Hof auftaucht und wortlos dort verharrt, beginnt eine stumme Belagerung, die immer näher an das Haus – und an Ramonas Innenleben – heranrückt. Was will diese Frau? Warum scheint sie zu wissen, was Ramona nicht zulassen will? Und wovor genau hat Ramona eigentlich Angst?

Unaufdringliche Bilder mit nachhaltiger Wirkung
Es ist die passive Präsenz der titelgebenden Gefahr, die sich wie ein Schatten auf das Geschehen legt – unheimlich, unbeweglich, aber voller Bedeutung. Die Frau im Hof wird zur Projektionsfläche für das, was Ramona nicht zulässt: Schmerz, Schuld, Erinnerung. Ihre bloße Anwesenheit erzeugt eine Spannung, die nicht von genormter Effekthascherei speist, sondern sich langsam, fast lautlos durch die Erzählung schleicht. Collet-Serra (“Carry-On”) entwickelt aus dieser minimalistischen Ausgangssituation ein elliptisches Kammerspiel, das mehr andeutet als zeigt – und genau daraus seine Wirkung schöpft. Denn wie die meisten guten Genrefilme ist auch ”The Woman in the Yard” tief im Drama verankert. Die Bedrohung von außen ist untrennbar mit Ramonas innerer Zerrissenheit verknüpft. Was als übernatürlicher Horror beginnt, entfaltet sich im späteren Verlauf zu einer vielschichtigen Darstellung innerer Konflikte und seelischer Zerbrechlichkeit, ohne dabei jedoch die unaufdringliche Kraft des viszeralen Schreckens aus dem Blick zu verlieren.

Horror als Vehikel – nicht als Ziel. Er visualisiert psychische Zustände, gibt Schmerz und Schuld eine Form, ohne sie wörtlich auszusprechen. Jaume Collet-Serra verlässt sich hierbei nicht auf billige Schocks. Die wenigen Jumpscares sitzen, weil sie nicht erzwungen sind. Sie durchbrechen nicht die Atmosphäre – sie verschärfen sie. Visuell setzt “The Woman in the Yard” ohnehin auf eine unaufdringliche, aber eindringliche Sprache, die die Atmosphäre in den Vordergrund rückt. Geneigte Bildachsen verzerren die Realität subtil, spiegeln die surreale Wahrnehmung der Figuren und sorgen dafür, dass das Unausgesprochene sichtbar wird: Eine Welt, die aus dem Gleichgewicht geraten ist. Die Kamera kippt, wenn die Realität kippt. Einfache Mittel, starke Wirkung – mit einer Konsequenz, die unter die Haut geht. Da ist Gänsehaut garantiert – und das wiederholt. Insbesondere im Schlussbild, das sich wie ein kalter Hauch bis in den Abspann zieht. Ein Gefühl, das das Horrorgenre in letzter Zeit zunehmend vermissen lässt.

Fazit
“The Woman in the Yard” ist einer dieser seltenen Genrefilme, die ohne Lärm auskommen – und genau darin ihre Kraft entfalten. Eine dichte, unaufgeregte Inszenierung, die psychologische Tiefe mit atmosphärischem Unbehagen verbindet. Ein Film, der mehr andeutet, als er zeigt; der nicht erklärt, sondern fühlen lässt!



