| Titel | Mermaid |
| Genre | Drama, Komödie, Horror |
| Jahr | 2025 |
| FSK | ungeprüft |
| Regie | Tyler Cornack |
Fantasy Filmfest Nights 2025
Ein Fisch namens Destiny
Die moderne Welt des Films ist ein Ort, an dem die Abgründe menschlicher Existenz oft durch groteske Metaphern greifbar werden. Nicht selten stolpern wir über Geschichten von Außenseiter*innen, die sich in ihrer verzweifelten Suche nach Nähe und Identität verlieren. Erzählungen wie diese werfen einen Blick auf die unvollständige und oft schmerzhafte Natur von Beziehungen – seien sie zu anderen Menschen oder zu sich selbst. Der Mensch, auf der Jagd nach Sinn und Zugehörigkeit, greift nicht selten nach den absurdesten Mitteln, um diese zu erlangen. Die Begegnung mit einem „Anderen“, sei es ein Monster oder ein Mythos, wird dabei zu einem Spiegelbild seiner eigenen inneren Zerrissenheit. Auch in “Mermaid” verschwimmen die Grenzen zwischen Erzählung und Reflexion über die menschliche Natur, wenn der verzweifelte Doug sich in seiner Fürsorge für ein groteskes Wesen verliert.

Und darum geht es…
Doug Nelson (Johnny Pemberton) arbeitet in einem heruntergekommenen Stripclub als Aquariumpfleger und hat zudem noch mit psychischen Problemen, Geldsorgen und einer ausgewachsenen Drogenabhängigkeit zu kämpfen. Als er dann auch noch seinen Job verliert, reicht es ihm endgültig. Doch dann, eines Nachts, während eines Suizidversuchs auf offener See, entdeckt er eine schwer verletzte Meerjungfrau (Avery Potemri) und nimmt sie mit nach Hause. Doug versteckt die Kreatur, die er Destiny nennt, in seiner Badewanne und beginnt, sich um sie zu kümmern. Das geht so lange gut, bis der zwielichtige Gauner Ron Bocca (Robert Patrick) vor seiner Tür steht und alte Schulden einfordert…

Ein skurriles Fish out of Water-Szenario
“Mermaid” beginnt dort, wo der amerikanische Traum längst ausgetrocknet ist: In einem stickigen, neonbeleuchteten Hinterzimmer eines Stripclubs im Nirgendwo Floridas, wo Doug Nelson Aquarien pflegt, Tabletten schluckt und sich langsam selbst verliert. Seine Welt ist eng – gefüllt mit Einsamkeit, Schuldgefühlen und der ständigen Erinnerung daran, dass er einmal mehr war als ein schmerzmittelabhängiger Vater mit Besuchsrecht. Okay, streng genommen beginnt “Mermaid” mit dem im Horrorgenre obligatorischen Eröffnungskill, um sich dann, so gar nicht mehr obligatorisch, einem tragisch-komischen Außenseiterdrama zu widmen. Regisseur Tyler Cornack inszeniert “Mermaid” als grotesk, schmierigen Genre-Flick. Der Horror dient als Beiwerk und wird kaum bedient. Der Humor ist zersetzt, fast schmerzhaft trocken. Und unter all den Absurditäten liegt ein Gefühl, das schwer greifbar bleibt: ein buckliges, aber aufrichtiges Portrait über menschliche Unzulänglichkeit. Es ist die Geschichte eines Mannes, der in der absurden Fürsorge für ein Monstrum jene Intimität nachstellt, die ihm im echten Leben versagt bleibt – Nähe, Sinn, Kontrolle – und dabei nicht merkt, dass seine Hingabe weniger Liebe ist als ein letzter Versuch, im eigenen Scheitern Bedeutung zu finden.

Doug pflegt die Kreatur, füttert sie mit rohem Fisch, liest ihr vor, spricht mit ihr, als könnte sie es verstehen. Und vielleicht tut sie das. Vielleicht nicht. Die Beziehung bleibt seltsam wortlos – ein Echo seiner zerstörten Verbindungen zu Menschen, die ihn längst abgeschrieben haben. Dass Destiny keine sirenenhafte Vision aus nächtlicher Sehnsucht ist, sondern einem glitschigen, zähnefletschenden Monstrum gleicht, das eher an eine gestrandete Urzeitkreatur erinnert als an Arielle, macht die Bindung nicht schwächer – nur verstörender. Als sich die Welt gegen ihn wendet, wird aus dem passiven Versager ein Mann, der bereit ist, für etwas – oder jemanden – zu kämpfen. Vielleicht zum ersten Mal. Doch die traute, wenngleich eher einseitig ausgelebte Zweisamkeit findet ein jähes Ende. Viel zu früh, um stattdessen einem leblosen Gangster-Plot zu weichen, bis die ungleiche Freundschaft bald kaum mehr Bestandteil der Erzählung ist. Hier entgleitet “Mermaid” zunehmend – und der skurrile Charme, der die erste Hälfte so eigen gemacht hat, verflüchtigt sich in einem ziellosen Genremix.

Fazit
Trotz starker erster Hälfte verliert “Mermaid” sich im Genre-Chaos – bleibt aber als tragikomische Studie über Nähe, Scheitern und absurde Sehnsucht nach Halt bemerkenswert!


