Trauma, Täuschung und die Wahrheit unter der Oberfläche
“Die Glaskuppel” beginnt als düsterer Schweden–Krimi, entwickelt sich aber zunehmend zu einem psychologischen Kammerspiel über Erinnerung, Schuld und Selbsttäuschung. Was zunächst wie ein klassisches Entführungsdrama wirkt, entpuppt sich im Laufe der Serie als vielschichtige Auseinandersetzung mit verdrängten Traumata und familiärem Verrat. Im Mittelpunkt steht Lejla, eine in den USA lebende Kriminologin, die nach dem Tod ihrer Adoptivmutter in ihr Heimatdorf Granås zurückkehrt. Was als kurzer Besuch geplant war, verwandelt sich rasch in einen Albtraum: Ihre ehemalige Freundin Louise wird tot aufgefunden, deren Tochter Alicia verschwindet. Lejlas eigene Vergangenheit beginnt sie einzuholen – als Kind wurde sie selbst entführt und in einer gläsernen Struktur gefangen gehalten, an deren Details sie sich nur bruchstückhaft erinnert.
Eine bitterböse Wendung
Während die örtliche Polizei frühzeitig Alicia’s Vater verdächtigt, beginnt Lejla mit einer parallelen Ermittlung. Unterstützt von ihrem Adoptivvater Valter, sucht sie nach Spuren, die sowohl Alicias Verschwinden als auch ihre eigene Kindheit betreffen. Alte Videoaufzeichnungen, verdrängte Erinnerungen und neue Begegnungen führen sie Schritt für Schritt an eine Wahrheit heran, die grausamer ist als jede Spekulation. Die entscheidende Wendung folgt dann in den letzten Episoden: Lejla erkennt, dass Valter selbst ihr damaliger Entführer war. Nach ihrer Flucht, und da sie sein Gesicht nie gesehen hatte, adoptierte er sie und baute ein Leben mit ihr auf – unter dem Deckmantel der Fürsorge und Vaterschaft. Lejla war über Jahre hinweg Teil einer inszenierten Normalität, ohne je zu erkennen, dass ihr vermeintlicher Retter in Wahrheit ihr Peiniger war.

Diese Enthüllung führt zur finalen Eskalation: Lejla wird erneut entführt und in der gleichen Glaskuppel eingesperrt wie damals. Alicia befindet sich ebenfalls dort – lebendig, aber schwer traumatisiert. In einem verzweifelten Moment gelingt es Lejla, Aufmerksamkeit zu erregen und damit ihre und Alicias Rettung einzuleiten. Valter wird festgenommen. In den letzten Szenen sucht Lejla ein letztes Gespräch mit Valter im Gefängnis. Auf die Frage nach den anderen verschwundenen Mädchen antwortet er kalt, ihre Leichen seien im See – jenem Ort, an dem er mit Lejla vermeintlich friedliche Kindheitserinnerungen geschaffen hatte. Damit fällt die letzte Illusion: Die Orte ihrer Kindheit, ihre Erinnerungen, ihre Vorstellung von Sicherheit – alles war Teil eines konstruierten Trugbilds.

Das Ende von “Die Glaskuppel” lässt die Zuschauer nicht mit einer Auflösung zurück, sondern mit einer Leerstelle. Es zeigt, wie tief Trauma in biografische Strukturen eingebettet sein kann – und wie schwer es ist, zwischen Erinnerung und Manipulation zu unterscheiden. Lejla ist keine klassische Heldin, sondern eine Figur, die lernen muss, dass ihr ganzes Leben auf einer Lüge basiert. Die Glaskuppel steht dabei nicht nur für physische Gefangenschaft, sondern auch für emotionale Isolation – durchsichtig, scheinbar harmlos, aber absolut abschottend.

FSK: 16
Jahr: 2025
Regie: Henrik Björn, Lisa Farzaneh
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