DER WATCHDOG

Titel	North of North
Genre	Komödie, Drama
Jahr	2025
FSK	12
Creator	Stacey Aglok Macdonald, Alethea Arnaquq-Baril

Zwischen Wurzeln und Wagnis

Traditionen geben Halt. Sie erzählen von Herkunft, Zugehörigkeit – von Heimat. Doch was tun, wenn diese alten Wege nicht mehr zu unseren eigenen Gefühlen passen? Wenn Religion, Familie und Kultur Erwartungen stellen, die mit dem eigenen Lebensgefühl kollidieren? Fortschritt bedeutet oft, sich zu lösen – nicht aus Respektlosigkeit, sondern aus dem Wunsch nach Selbstbestimmung. Zwischen „So war es immer“ und „So fühle ich wirklich“ entsteht Spannung. Der Weg dazwischen ist unbequem, aber ehrlich. Es geht nicht darum, Tradition zu brechen, sondern sie neu zu denken – in einer Sprache, die Raum lässt für Individualität. Genau dieses Spannungsfeld wird in “North of North“ zum Schauplatz einer Geschichte, die sowohl humorvoll als auch überraschend smart ist.

Und darum geht es…

Siaja (Anna Lambe) lebt in einem kleinen Dorf im Herzen der Arktis. Hier wurde sie geboren, hier ist sie aufgewachsen, hier wird sie alt werden – mit all den Bräuchen und Gepflogenheiten, die bereits von ihren Inuit-Vorfahren gepflegt wurden. Doch Siaja sehnt sich nach einem Neubeginn. Sie will mehr sein als nur Ehefrau und Mutter – sie will frei sein, ihre eigenen Entscheidungen treffen. Zwischen tief verwurzelten Traditionen und starren Rollenbildern beginnt sie, Fragen zu stellen und Grenzen zu hinterfragen. Ihr Mut, neue Wege zu gehen, bringt nicht nur Konflikte, sondern auch Hoffnung. Denn je mehr sie für sich einsteht, desto mehr Menschen in ihrem Umfeld beginnen, ihre eigenen Träume zu hinterfragen. Siajas Weg wird zum Symbol für Wandel und Selbstbestimmung.

Unser Eindruck nach den ersten beiden Episoden

“North of North” ist spaßig, smart, unterhaltsam – doch unter der leichten Oberfläche schlägt ein leiser, aber beharrlicher Puls: Entfremdung, kulturelles Erbe und der stille Schmerz des Dazwischen gehören hier ebenso zum Duktus wie der schräge, feinstraffierte Humor. Das kanadische Netflix Original, übrigens das erste seiner Art, spielt mit vertrauten Comedy-Strukturen, bricht sie aber immer wieder auf – zugunsten leiser Zwischentöne, kultureller Selbstbefragung und eines feinen Sinns für Melancholie. Was bleibt, ist das Gefühl, einer Welt begegnet zu sein, die selten im Zentrum steht – und das auf eine Weise, die weder belehrend noch exotisierend wirkt. Vielmehr zeigt “North of North”, wie universell Geschichten sein können, wenn sie mit Haltung, Humor und echtem Gespür für Menschen erzählt werden.

Was “North of North” besonders macht, ist der liebevolle Blick auf eine Gemeinschaft der Inuit, die sich zwischen Tradition und Gegenwart bewegt. Die Serie glänzt durch Atmosphäre, pointierten Witz und das spürbare Insiderwissen ihrer Macherinnen – ohne je folkloristisch zu wirken. Stacey Aglok Macdonald und Alethea Arnaquq-Baril erzählen aus einer Vertrautheit heraus, die nicht erklärt, sondern erleben lässt – und genau darin liegt ihre Stärke: Die Figuren dürfen widersprüchlich sein, die Welt komplex, der Ton mal absurd, mal anrührend. Dass dafür keine großen Konflikte inszeniert werden müssen, um Tiefe zu erzeugen, ist umso erfreulicher. So ist “North of North” trotz klassischer Dramaturgie ein wohltuendes Serienerlebnis mit unverbrauchtem Setting. Die Landschaft mag kalt sein – die Geschichte umso wärmer.

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