Nach einer wahren Geschichte
Die Welt der Kriminalistik wird immer rationaler. DNA-Analysen, forensische Algorithmen und KI-gestützte Profiling-Tools drücken der Aufklärung von Verbrechen einen effizienten Stempel auf. Der rätselhafte Mord, wie man ihn aus längst vergangenen Tagen kennt, stirbt aus – die Faszination True Crime hingegen scheint unsterblich. Podcast-Duos sezieren Verbrechensakten mit chirurgischer Präzision, Streaming-Dokumentationen entführen das mordlüsterne Publikum in die dunkelsten Ecken der Menschheit und Bestsellerautor*innen erzählen unentwegt weiter von bestialischen Grausamkeiten. Die Netflix Miniserie “Genombrottet” eint nun beides – einerseits die unsterbliche Lust nach wahren Verbrechen, andererseits die Faszination für den technischen Fortschritt, der es der Gegenwart ermöglicht, dass aufzuklären, was in der Vergangenheit unlösbar erschien.
Und darum geht es…
Schweden, 19. Oktober 2004: Als der leitende Ermittler John (Peter Eggers) am Tatort ankommt, findet er dort die Leiche eines achtjährigen Jungen und einer 56-jährigen Frau. Die beiden scheinen sich nicht gekannt zu haben und wurden zum willkürlichen Opfer eines unbekannten Täters ohne klare Motive. John ist sich sicher, dass er den Mord am hellichten Tag binnen weniger Tage aufklären kann. Doch die Jahre ziehen ins Land und die Ermittlungen treten auf der Stelle, während die Hoffnung seitens der Angehörigen der Opfer zunehmend schwindet. Von der Schuld geplagt, keine Antworten gefunden zu haben, greift John nach einem letzten Strohhalm: Mithilfe der DNA-Ahnenforschung des Genealogen Per (Mattias Nordkvist) wagt er einen unkonventionellen Schritt, um den Täter endlich ausfindig zu machen!
True Crime auf Netflix
Der Doppelmord von Linköping gilt als faszinierender und zugleich tragischer Fall, der eine entscheidende Wende in der Kriminalistik markierte. Am 19. Oktober 2004 wurden der achtjährige Mohammed Ammouri und die 56-jährige Anna-Lena Svensson auf offener Straße brutal erstochen. Der flüchtige Täter hinterließ dabei DNA-Spuren, die die Ermittler*innen aufgrund fehlender Übereinstimmung über Jahre hinweg zu keinem Verdächtigen führen konnten. Erst 2020, durch den Einsatz von genetischer Genealogie, einer Methode, bei der DNA-Analysen mit öffentlich zugängliche Datenbank abgeglichen werden, konnte der Fall gelöst werden. Auf gut Deutsch gesagt: Dank DNA-Ahnenforschung à la MyHeritage zum Ermittlungserfolg. “Genombrottet” verpackt diesen forensischen Werdegang in vier kompakte Episoden – nüchtern vorgetragen und doch überraschend mitreißend.
Inszenatorisch wagt “Genombrottet“ keine großen Experimente. Während die Entdeckung einer neuen forensischen Möglichkeit in David Lynchs “Mindhunter” noch größtenteils von der atmosphärisch dichten Stimmung und natürlich den unmenschlich düsteren Abgründen realer Serienkiller profitierte, orientiert sich das schwedische Netflix Original visuell eher an europäischen Krimi-Standards und kommt dabei weitaus geerdeter daher. Das ermöglicht einen unverfälschten Blick auf die menschlich gestalteten Figuren, die trotz minimalem Drehbucheinsatz doch hinreichend zur Geltung kommen. Auch wenn die Geschichte ihren Fokus klar auf die Polizeiarbeit richtet, gelingt es “Genombrottet”, ein nicht unerhebliches emotionales Investment seitens der Zuschauerschaft einzufordern. Das macht den Netflix Krimi deutlich kurzweiliger und interessanter als die in letzter Zeit eher dürftige Auswahl an kitschigen Crime-Geschichten des Streaminggiganten.
Fazit
„Genombrottet“ überzeugt mit klaren Strukturen und kurzweiliger Polizeiarbeit, ohne unnötige Effekthascherei – ein solider Krimi!
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DER WATCHDOG 