Betrügerische Liebe: Kritik zur Netflix Serie – Liebe, Sex und Verrat!

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Es ist faszinierend, wie schnell Urteile gefällt werden, sobald eine ältere Frau mit einem jüngeren Mann auftritt. Plötzlich wird hinter vorgehaltener Hand getuschelt, die Augenbrauen heben sich, und die Blicke flüstern von Unschicklichkeit und Grenzüberschreitung. Es ist, als gäbe es ein unsichtbares Regelwerk, das besagt, Frauen dürften nur dann über die Jahre hinweg erblühen, wenn sie sich still und unsichtbar an die Seitenlinie zurückziehen. Dreht man jedoch das Bild um, der ältere Mann mit einer jungen Begleiterin, wird dies zum Symbol des Erfolgs, als Beweis seiner Anziehungskraft und gesellschaftlichen Stellung. Kein Getuschel, sondern Applaus – vielleicht ein neidischer Seitenblick, doch immer im Rahmen der Akzeptanz. Ist es nicht bezeichnend, wie eng die Freiheiten verteilt werden? Da passt die Netflix Original Serie “Betrügerische Liebe” eigentlich perfekt ins Bild – schließlich liefert der Erotikthriller ordentlich Zubrot zu dieser Doppelmoral!

Und darum geht es…

Gabriella (Monica Guerritore) hat ihr gesamtes Leben damit verbracht, die Erwartungen anderer zu erfüllen. In all den Jahren hat sie stets zurückgesteckt, sich selbst und ihre Wünsche hintangestellt, um den Bedürfnissen ihrer Familie gerecht zu werden. Erst mit 60 Jahren kommt der Moment der Erkenntnis, als sie auf den attraktiven, lebenslustigen Elia (Giacomo Gianniotti) trifft. Der junge Mann, der vor Energie und Lebensfreude nur so sprüht, öffnet ihr die Augen und weckt in ihr ein längst verschüttetes Verlangen nach Selbstverwirklichung und persönlichem Glück. Plötzlich scheint es möglich, die vielen Jahre der Entbehrungen hinter sich zu lassen und sich selbst wieder in den Mittelpunkt zu rücken. Dass Elia deutlich jünger ist und vom Alter her Gabriellas Sohn sein könnte, bleibt ihren Kindern nicht verborgen. Mit wachsendem Misstrauen beobachten sie die neue Beziehung ihrer Mutter und sind fest überzeugt: Der gut aussehende junge Mann hat es nur auf das Vermögen der wohlhabenden Gabriella abgesehen.

Unser Fazit nach den ersten beiden Episoden

Nein – nur weil ein Film oder eine Serie ein Klischee bedient, heißt das natürlich noch lange nicht, dass er oder sie dadurch automatisch Vorurteile bekräftigt. Wer derartige Klischees kategorisch als Ausschlusskriterium sieht, könnte sich an fiktionalen Erzählungen schließlich kaum noch erfreuen. Wie immer sind es auch hier die Grautöne, die die Musik machen – und im Fall der Thriller-angehauchten Netflix Romanze “Betrügerische Liebe” aus Italien unterfüttern diese nun mal ein sehr verzerrtes Bild einer leidenschaftlichen Liebschaft. Denn wenn sich die reife Gabriella und der besixpackte Elia erst einmal auf eine vielleicht echte, vielleicht betrügerische Liaison einlassen, entpuppt sich diese als filmgewordene Slalompiste – alles voller Red Flags, die den Wegesrand säumen.

^{Betrügerische Liebe ©Netflix}

Während der geldgierige Nachwuchs, um den Nachlass bangt und glaubt einen findigen Heiratsschwindler in Elia entdecken zu haben, wird seitens des ungleichen Paars gelogen und gestritten was das Zeug hält, nur um sich anschließend wehmütig in den Armen liegend dem willenlosen Beischlaf zu ergeben. Versöhnungssex heißt flammende Leidenschaft, heißt große Liebe heißt Schwamm drüber. Wenn das keine gesunde Basis für eine Beziehung ist. Dass sich auch solch eine Dynamik meisterhaft auf Film bannen lässt, hat kürzlich das toxische Liebesdreieck von Luca Guadagnino 5 von 5 Punkte-Meisterwerk “Challengers” unter Beweis gestellt, das – anders als “Betrügerische Liebe” – eben komplett ohne Daily Soap-Attitüde auskommt und sich stattdessen als nuancierte Charakterstudie präsentiert, mit feinem Gespür für zwischenmenschliche Abgründe und emotionale Ambivalenzen.