| Titel | Ein echter Gentleman |
| Genre | Romanze, Drama |
| Jahr | 2024 |
| FSK | 16 |
| Regie | Onur Bilgetay |
Starttermin: 26.09.2024 | Netflix
Ein Gigolo mit Herz!
Die Ausbeute an Netflix Originals aus der Türkei könnte man als ziemlich deckungsgleich mit der deutschsprachiger Releases bezeichnen. Während positive Ausreißer Made in Germany wie das knackige Actionspektakel “60 Minuten” eher selten sind und magere Produktionen wie “Spieleabend” und “Die Liebeskümmerer” an der Tagesordnung stehen, steht es um die türkische Filmauswahl nicht gerade besser. Dort überschatten unerträgliche Rührstücke der Marke “In guten Händen 2” und veraltete RomComs wie “Die Kunst, ein Herz zu stehlen” durchaus interessante Filme, wie den überraschend vielschichtigen Genremix “Asche”. Unterdurchschnittliche Streamingkost ist also keinesfalls ein rein deutsches Phänomen. Nun stellt sich bloß noch die Frage, wie sich das türkische Drama “Ein echter Gentleman” im Vergleich zur bis dato eher austauschbaren Masse schlägt…

Und darum geht es…
Saygın (Çagatay Ulusoy) fühlt sich wohl in seiner Haut und noch viel wohler in der Gesellschaft der Reichen und Schönen. Als Callboy kommt er sehr gut an bei der Damenwelt und dadurch auch in die elitären Kreise der High Society. Als er eines Tages auf die schöne und intelligente Nehir (Ebru Sahin) trifft, merkt er aber erstmals, was es heißt, wirklich glücklich zu sein. Echte Liebe und Geborgenheit waren für Saygın stets ein Fremdwort. Etwas, das er von seinem Umfeld nie erfahren hat und das er mit schnellem Sex und noch schnellerem Geld vergessen machen wollte.

Melodramatik, Melodramatik, Melodramatik!
Ein gebrochener Mann, der sich und sein Leben verkauft, um der Armut zu entfliehen. Gefühlloser, kalter Sex im Austausch gegen Sicherheit. Begehrt werden, um den Selbsthass zu begraben. All das hätte “Der perfekte Gentleman” erzählen können, entschieden hat sich das türkische Netflix Original jedoch für einen anderen Weg. Was als handelsübliche RomCom beginnt, wechselt nach Rund der Hälfte der Spielzeit den Kurs, um das echte menschliche Drama zu suchen – war das die Ausfahrt? Schade, verpasst. Dann eben weiter, Vollgas Richtung Kitsch! Ob “Der perfekte Gentleman” wissentlich vermeidet in die spannenden Gefilde einer Charakterstudie abzutauchen, oder ob dem kreativen Kopf mit dem Stift am Drehbuch der Unterschied zwischen melodramatischen Plattitüden schlicht und ergreifend einfach nicht geläufig war, wird wohl immer ein Geheimnis bleiben.

Subtilität sucht man in “Der perfekte Gentleman” vergeblich. Bereits bei der Einführung seiner Figuren darf Saygıns trottelig-misogyner Sidekick als Negativ herhalten, um klarzumachen: Saygın ist anders. Eigentlich ist er ein Guter. Dabei kann man dem Cast selbst keine großen Vorwürfe machen, der abseits der Melodramatik-Offensive eigentlich grundsolide agiert. Über alles andere hingegen darf man sich köstlich amüsieren. Erst recht, wenn sich im großen “So, jetzt allesamt einmal bitte heulen”-Finale – nice try, aber nein! – Drehbuch, Score und Kamera einen stürmischen Kampf um die Vorherrschaft der Melodramatik liefern. Die Geigen brüllen, die Pianotasten klimpern, eine große Geste jagt die nächste und die Kamera labt sich, jetzt in Slowmotion, an wimmernden Gesichtern, die in einem Meer aus Tränen ertrinken. Ende.

Fazit
Melodramatik statt Charaktertiefe. Kitsch statt Drama!

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