DER WATCHDOG

Titel	Ein Teil von dir
Genre	Drama
Jahr	2024
FSK	12
Regie	Sigge Eklund

Große Gefühle auf netflix

Alle Jahre wieder geschieht es, dass die größten und eindrucksvollsten Performances, die die Film– und Serienwelt hervorbringt, unberücksichtigt und übergangen am Wegesrand der schillernden Straßen von Hollywood liegen bleiben, während die Spotlights mal wieder auf dieselben zwei Handvoll Megastars gerichtet sind. Ein Fanliebling mimt eine historische Persönlichkeit, ein anderer trägt eine Gesichtsprothese und/oder schlüpft in die Rolle eines bedeutungsschwanger schwadronieren Pseudointellektuellen – natürlich in Schwarzweiß gehalten – und schon fliegen ihnen die goldenen Trophäen entgegen, wie gerüschte Push-up-BHs auf Boyband-Bühnen. Darüber, wie die britische Newcomerin Mia McKenna-Bruce 2023 in “How to Have Sex” brilliert hat, oder Jenna Ortega im Vorjahr im niederschmetternden Amokdrama “The Life After” redet niemand, wenngleich beide Darbietungen die mehrheitlich Oscar®-prämierte Hollywood-Elite blass aussehen lässt. Was das mit “Ein Teil von dir” zu tun hat? Achtet einfach auf Felicia Maxime…

Und darum geht es…

Als die 17-jährige Agnes (Felicia Maxime) mit ihrer älteren Schwester Julia (Zara Larsson) auf eine Part geht, hätte sie nicht ahnen können, dass dies der letzte gemeinsame Abend mit ihr ist. Julia verstirbt bei einem tragischen Autounfall auf dem Nachhauseweg und hinterlässt Agnes und ihre Mutter (Ida Engvoll) fassungslos. Von Schuldbewusstsein geplagt, da sie schon lange ein Auge auf den Freund (Edvin Ryding) ihrer Schwester geworden hat und überfordert von dem unerwarteten Verlust, beginnt für Agnes die schwerste Zeit ihres Lebens – und das ausgerechnet in der sowieso schon schweren Phase des Erwachsenwerdens.

Ein Echter geheimtipp

Die Tatsache, dass es sich bei “Ein Teil von dir” um eine Netflix Original handelt, in Kombination mit einer Synopsis von Liebe und Tod und dazu noch die auf hochglanz polierten Szenenbilder sich lasziv präsentierender Jungdarsteller*innen, erweckt unweigerlich eine Erwartungshaltung, die dem schwedischen Coming-of-Age-Drama in keinem Fall gerecht wird. “Ein Teil von dir” ist weder das neue plakative “Tote Mädchen lügen nicht”, noch der nächste tragisch-erotische Teen-Kitsch der Marke “Élite”, sondern ein fein nuanciertes Indie-Drama, dass sich sowohl inszenatorisch als auch dramaturgisch in ganz anderen Sphären angesiedelt. Bleibt nur zu hoffen, dass die Szenenbilder, die eigentlich gar keine Szenenbilder sind, sondern Pressefotos, genügend Aufmerksamkeit auf sich ziehen, um das unterforderte Netflix Publikum in Erwartung gewünschter 08/15-Kost mit einer echten Filmperle zu überraschen.

Julia hat und ist alles, was Agnes immer sein wollte. Doch unter der wilden, selbstbewussten Fassade tun sich, frei nach dem Sprichwort, es ist nicht alles Gold was glänzt, schon bald ungeahnte Schattenseiten auf, die weder ihre Umwelt, noch Agnes, noch das Publikum ahnen konnten. Dass die Außenwirkung längst nichts über das Innenleben eines Menschen aussagt, scheint gesellschaftlich immer noch nicht angekommen zu sein, was Langfilmdebütant Sigge Eklund geschickt für seine erste Regiearbeit zu nutzen weiß. Bis zu dieser Erkenntnis begleitet “Ein Teil von dir” Agnes bei ihrem vollkommen aus der Bahn gekommenen Weg durch die verwinkelten Pfade der Adoleszenz, geplagt von Trauer, Identitätskrise und Orientierungslosigkeit. Auch wenn das schwedische Drama das Rad nicht neu erfindet und trotz Facettenreichtum selten über bekannte Muster hinauskommt, ist das Ergebnis, gerade in Anbetracht sonstiger, auf jugendliche Zuschauer*innen zugeschnittener Netflix Produktionen ein echtes Hingucker. Und das nicht zuletzt dank der nuancierten Perfomance von Felicia Maxime (“Der Abgrund”), die hier eine der besten schauspielerischen Leistungen des Jahres abliefert und dabei mehr als nur einmal zu Tränen rührt!

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