| Titel | Speak No Evil |
| Genre | Horror, Thriller |
| Jahr | 2022 |
| FSK | 16 |
| Regie | Christian Tafdrup |
Kinostart: 28.09.2023
Treffe niemals deine Urlaubsfreundschaft!
Dass eine Urlaubsbekanntschaft abseits von sonnigen Stränden, hochprozentigen Schirmchendrinks und salziger Meeresluft nach der Rückkehr in das echte Leben selten von Erfolg gekrönt ist, ist keine Seltenheit. Während sich diese Diskrepanz im Rahmen einer unterhaltsamen Urlaubskomödie wie „Vacation Friends“ hervorragend als Aufhänger für ein chaotisches Humor-Feuerwerk eignet – wovon in der bescheidenen Fortsetzung „Vacation Friends 2“ leider nicht mehr viel übrig ist – entladen sich die Tücken einer vermeintlich innigen Urlaubsfreundschaft im dänisch-niederländischen Psychothriller „Speak No Evil“ auf eine weitaus diabolischere Art und Weise. „Funny Games“ lässt grüßen!

Und darum geht es…
Neben entspannten Tagen, viel Sonnenschein und fremden Kulturen bietet so ein Urlaub in einem fernen Land neben fremden Kulturen meist auch fremde Menschen, mit denen man im Alltagsleben vielleicht sonst gar nicht ins Gespräch kommen, geschweige denn eine innige Freundschaft pflegen würde. Für Bjørn (Morten Burian) und seine Ehefrau Louise (Sidsel Siem Koch) bietet der Familienurlaub mit der gemeinsamen Tochter Agnes (Liva Forsberg) im sonnigen Italien eben solch eine lockerleichte Urlaubsbekanntschaft. Als sie auf das niederländische Ehepaar Patrick (Fedja van Huêt) und Karin (Karina Smulders) treffen, deren Sohn Abel (Marius Damslev) glücklicherweise auch noch im selben Alter wie Agnes ist, springt der Funke direkt über. Beim gemeinsamen Abendessen mit einer guten Flasche Wein und leckeren mediterranen Speisen entsteht schnell ein Gefühl von echter Freundschaft. Zurück in der Heimat Dänemark trudelt auch schon bald eine Einladung ein, Patrick, Karin und Abel in den Niederlanden zu besuchen. Auch wenn Bjørn und Louise zunächst hadern, stimmen sie schließlich doch zu. Was in der Toskana wunderbar funktioniert hat, lässt sich mit Sicherheit auch auf ein paar Tage in Patricks und Karins Zuhause reproduzieren? Wie falsch sie damit doch lagen…

Eines der unangenehmsten Seherlebnisse der letzten Jahre!
Während eine kurze Aussprache in den meisten Filmen – und eigentlich in jeder einzelnen RomCom – genügen würde, um einen Konflikt aus dem Wegzuräumen, ist es in „Speak No Evil“ noch einmal weitaus einfacher. Vier magische Buchstaben genügen: ein simples Nein! Doch Neinsagen will gelernt sein! Wer kennt sie nicht, diese Situation, in der ein einfaches Nein alle Probleme aus dem Weg schaffen würde und doch hört man sich selber, fast wie von Geisterhand, ein halbgares Ja aus den Lippen heraussäuseln? Aus Angst vor einer negativen Reaktion und getrieben von diesem undefinierbaren Gefühl von Schuld tief in der Magengegend neigt der Mensch dazu, Dingen zuzustimmen, ohne es überhaupt zu wollen. Dass diese kleinen Wörtchen in unserer Gesellschaft jedoch ein unterrepräsentiertes und darüber hinaus negativ behaftetes Schattendasein fristet, weiß auch das dänische Brudergespann Christian und Mads Tafdrup und entspinnt daraus prompt eines der unangenehmsten Filmerlebnisse des Jahres – einzig der alles in den Schatten stellend filmgewordene Schlag in die Magengrube „Soft & Quite“ bleibt unerreichbar. Das macht „Speak No Evil“ nicht nur zu einer beißenden Satire über festgefahrene gesellschaftliche Umgangsformen, sondern auch zu einem das Nervenkostüm an die Grenzen des Erträglichen ausreizenden Psychothriller, der noch lange im Gedächtnis bleibt.

Was mit passiv-aggressiven Seitenhieben, kleineren Grenzüberschreitungen und unangenehmen Verhaltensweisen beginnt, entwickelt sich schnell zu einem bedrückenden Schraubstock, der sich um den Brustkorb des Publikums legt und gemächlich den Druck auf die nach Luft ringenden Atemwege erhöht. Der Übergang von einem penetranten Fremdschamgefühl zu waschechten Horror ist dabei fließend und stets von zynisch-schwarzem Humor begleitet – selbst dann noch, wenn sich im Finale für wenige Sekunden rohe, martialische Gewalt Bahn bricht. Hier stimmt einfach alles – und das von der ersten bis zur letzten Einstellung, was einerseits dem fantastisch aufspielendem Darsteller*innen-Quartett, aber auch dem ausgefeilten, bis ins kleinste Detail ausgearbeiteten Drehbuch zuzuschreiben ist. Mit fein staffierten, ambivalenten Figuren, schneidenden Dialogen und einer großen Portion diabolischer Freude am Leid anderer entpuppt sich „Speak No Evil“ als nervenaufreibende Tour de Force, die man einfach gesehen haben muss!

Fazit
Ein aufwühlender Psychotrip, der es einem kalt den Rücken runterlaufen lässt – erst vor Fremdscham, später vor waschechtem Terror! Ein echter Horror-Geheimtipp!
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