Überleben ohne zu essen! Ist das möglich? Es gibt tatsächlich Berichte, die bis ins 16. Jahrhundert zurückreichen und von verschiedenen Frauen und Mädchen erzählen, die über einen längeren Zeitraum ohne Nahrung auskamen. Diese als Wunder deklarierten Vorkommnisse sollen meist im religiösen Zusammenhang aufgetreten sein, sind heute aber natürlich alleine vom wissenschaftlichen Standpunkt aus als absoluter Unsinn zu entlarven. Trotz der zweifelhaften Glaubwürdigkeit der Erzählungen sind sie sicherlich nicht die schlechteste Vorlage, um daraus ein mysteriöses Drama zu entsinnen…

Handlung
Eine erfahrene Krankenschwester, Lib Wright (Florence Pugh), wird in ein abgelegenes irisches Dorf gerufen, um das mysteriöse Phänomen eines jungen Mädchens, Anna (Kíla Lord Cassidy), zu untersuchen, das angeblich seit Monaten ohne Nahrung überlebt. Während Lib versucht, das Rätsel zu lösen, stößt sie auf Widerstand von Dorfbewohnern und religiösen Führern. Im Verlauf der Untersuchung offenbart sich eine komplexe Mischung aus Glauben, Aberglauben und dunklen Geheimnissen, die das Leben aller Beteiligten verändern wird.

Kritik
Wenn Sebastián Lelio seinen Film mit einem ungewöhnlichen Einstieg direkt auf eine Metaebene anhebt, fühlt sich diese Entscheidung auf den ersten Blick etwas befremdlich an, macht im Kontext zu den aufkommenden Motiven des historischen Dramas im späteren Verlauf aber plötzlich verdammt viel Sinn. So erkundet die Kamera zunächst die sterilen Hallen eines Filmstudios, ehe sie in die, sich dort befindenden Kulissen des ländlichen Irlands Ende des 19. Jahrhunderts eintaucht, begleitet von einem Voice-Over, über die Kraft von Geschichten und was für eine wichtige Rolle der Glaube daran einnimmt. Der Glaube kann schließlich Berge versetzen – oder doch nicht?

Religiöser Fanatismus, Wahnvorstellung oder doch ein waschechtes Wunder? Die Frage nach der Wahrheit nimmt in “Das Wunder” eine wesentlich kleinere Rolle ein, als man zunächst denken würde. Statt rätselhaftem Mystery verschreibt sich das ästhetisch gefilmte Drama dem Erkunden der Beweggründe hinter dem Glauben an das titelgebend Wunder und der Ohnmacht einer rationalen, sich an die Wissenschaft orientierenden Frau in einer von geistlichen Männern dominierten Gesellschaft. Florence Pugh übernimmt diesen Part gewohnt brillant. Ihre Performance reiht sich nahtlos in die makellose Vita einzigartiger Charakterdarstellungen ihrer noch jungen Karriere ein.

Fazit
Auch losgelöst von Pughs starkem Spiel, überzeugt „Das Wunder“ als entschleunigtes Drama mit starken Bildern und einer zutiefst lethargischen Erzählweise, die das Publikum mit seiner hypnotischen Wirkung immer tiefer in seinen Bann zieht! Sehenswert!
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