| Titel | Jay Kelly |
| Genre | Drama |
| Jahr | 2025 |
| FSK | 12 |
| Regie | Noah Baumbach |
Starttermin: 05.12.2025 | Netflix
Noah Baumbach meldet sich zurück
Wenn das Leben mehr Fragen als Antworten liefert, schaut Noah Baumbach genau hin. Seine Filme drehen sich um Menschen in persönlichen Krisen – um Momente, in denen Beziehungen, Erwartungen und Selbstbilder ins Wanken geraten. In „Der Tintenfisch und der Wal“ entfaltet sich das Drama einer zerfallenden Familie, in der Kinder zwischen den Konflikten ihrer Eltern navigieren müssen. „Marriage Story“ zeigt die Zerbrechlichkeit von Partnerschaften auf schonungslose, intime Weise und fängt zugleich die kleinen, absurden Momente ein, die Trennung und Alltag miteinander verbinden. Baumbach beobachtet genau, oft in stillen Gesten und Blicken, die mehr sagen als Worte. Mit trockenem Humor, ironischer Melancholie und feinem Gespür für Timing verwandelt er Alltägliches in ein präzises Porträt menschlicher Verletzlichkeit und Ambivalenz. Doch kann „Jay Kelly“, sein bereits zweites Netflix Original nach „The Meyerowitz Stories“, diesen feinen Blick auf die menschliche Psyche genauso überzeugend auf den heimischen Bildschirm bringen?

George Clooney (“Ocean’s Eleven”) spielt Jay Kelly, einen erfolgreichen Schauspieler, der mitten in einer kreativen Krise steckt. Zwischen Drehs, PR-Terminen und dem immer gleichen Ablauf spürt er vor allem eines: Er ist müde von seinem Leben. Auch privat läuft vieles schief. Seine ältere Tochter Jessica (Riley Keough) hat sich von ihm distanziert, und die jüngere Daisy (Grace Edwards) nutzt die Gelegenheit, nach Italien zu fliehen, um noch einmal Freiheit vor dem College zu genießen. Als Jay vom Tod eines alten Weggefährten erfährt und wenig später ein verloren geglaubter Freund aus den Anfängen seiner Karriere, schwere vorwürfe gegenüber ihm erhebt, bricht etwas in ihm auf. Kurzerhand beschließt er, seinem Alltag zu entkommen. Gemeinsam mit seinem Manager Ron (Adam Sandler), der ihn widerwillig begleitet, startet er zu einer spontanen Reise nach Europa – um wieder zu sich selbst zu finden, und das, was ihm wirklich wichtig ist im Leben.

Netflix auf Oscar-Kurs?
Schon Monate vor dem Start galt „Jay Kelly“ als sicherer Kandidat für die Oscars. Die Ausgangslage schien zu perfekt, um nicht zu funktionieren: ein gealterter Hollywoodstar, gespielt von George Clooney, blickt auf ein Leben zurück, das mehr von Rollen geprägt wurde als von echten Beziehungen. Hinter der Kamera steht Noah Baumbach, dessen präziser Blick für familiäre und persönliche Brüche längst etabliert ist. Dazu ein Cast, der Oscar-Erprobtes mit natürlicher Leichtigkeit verbindet – auf dem Papier ein Selbstläufer. „Jay Kelly“ verlässt sich allerdings manchmal zu sehr auf diese Ausgangslage. Clooney liefert die vermutlich nuancierteste Leistung seiner Karriere, ein leises Spiel voller Müdigkeit, Eitelkeit und späten Einsichten. Doch es ist Adam Sandler, der nach „The Meyerowitz Stories“ erneut für Baumbach vor der Kamera steht und hier mühelos zum Szenendieb wird. Seine Figur bringt jene Erdung, jene leichte Schärfe ins Spiel, die der Erzählung an anderer Stelle gelegentlich fehlt.

Baumbach erzählt erneut von verpassten Chancen, von Menschen, die ihr Leben auf der Leinwand ausgelebt haben und irgendwann feststellen müssen, dass jenseits davon kaum etwas übrig blieb. Genau darin liegt die Stärke des Films – und zugleich seine größte Sicherheit. Vieles wirkt vertraut, manche konfliktgeladenen Szenen laufen auf bekannten Bahnen, manche Pointen sitzen allzu routiniert. Das Resultat ist eine Tragikomödie, die ihre Themen perfekt kennt, aber sie selten wirklich herausfordert. Erst im Finale gewinnt „Jay Kelly“ jene emotionale Klarheit, nach der der Film zuvor lange sucht. Das Ende findet den richtigen Ton: zurückhaltend, bitter, fast zärtlich. Man spürt plötzlich, was möglich gewesen wäre, hätte das Netflix Original früher mehr Risiko gewagt. So bleibt ein stark gespieltes, handwerklich präzises Werk, das sich jedoch etwas zu sicher darin fühlt, bereits ein großer Preisfavorit zu sein.

Fazit
„Jay Kelly“ ist stark gespielt, sorgfältig inszeniert und thematisch klar verortet – doch Baumbach bleibt hier etwas zu sehr in vertrauten Mustern. Was bleibt, ist ein berührender, aber vorsichtiger Film, der sein Potenzial erst spät vollständig einlöst.


