Die Hand an der Wiege (2025): Kritik zum Film auf Disney+

Die Hand an der Wiege Disney+ Film 2025 Hulu Original Film
TitelDie Hand an der Wiege
Genre Thriller
Jahr2025
FSK16
RegieMichelle Garza Cervera

Starttermin: 19.11.2025 | Disney+

In der Ruhe liegt das Grauen

In der Ruhe liegt die Kraft. Im Kino wirkt sie nicht selten wie ein unsichtbares Messer, das leise durch die Szenen schneidet, während die Figuren ahnungslos weiterschreiten. Sie liegt in der Stille zwischen Atemzügen, in einer unheilverheißenden Schieflage der Kamera, im sich gemächlich zuspitzenden Score. Sie ist die Anspannung, die wächst, wenn nichts passiert – und gerade deshalb die eigentliche Gefahr greifbar wird. Speziell im Genrefilm wird diese Kraft lebendig: das langsame Knarren einer Tür, das falsche Lächeln, das zu lange verweilt, das scheinbar Harmloseste, das sich als tödlich entpuppt. Geduld wird zur Waffe, Beobachtung zur Falle, Erwartung zur Qual. Wer die Ruhe beherrscht, kontrolliert das Grauen, zieht die Zuschauerschaft in den Bann und das ganz ohne kalkulierte Schockeffekte und effekthascherische Spielereien – das Handwerk eines jeden Slowburners. Eine narrative Strategie, die zeigt, dass das Unausgesprochene meist mächtiger ist als das Konfrontative. Auch „Die Hand an der Wiege“ auf Disney+ greift auf dieses Mittel zurück – und reiht sich damit in eine filmische Erzähltradition ein, die schon das gleichnamige Original auszeichnete.

Die Hand an der Wiege Disney+ Film 2025 Hulu Original Film
Die Hand an der Wiege ©20th Century Studios

Schon in Curtis Hansons gleichnamigem Thriller von 1992 zeigte sich, wie wirkungsvoll ein langsam wachsendes Unbehagen sein kann – so sahen es zumindest viele Kritiker*innen, die Hansons Inszenierung ein feines Gespür für leise Eskalationen attestierte. Er vertraute auf das Alltägliche als Bühne für das Grauen: auf das Familienhaus, das eigentlich Schutzraum sein sollte; auf die Nähe einer Fremden, deren bedrohliches Potenzial erst dann sichtbar wird, wenn es längst zu spät ist. Das Remake von Michelle Garza Cervera („Die Knochenfrau“) greift diese Mechanismen auf und adaptiert sie in die Gegenwart: Im Mittelpunkt des Streaming Originals steht Caitlin Morales (Mary Elizabeth Winstead), deren scheinbar perfektes Leben mit Ehemann und zwei Kindern in Los Angeles plötzlich durch Polly Murphy, gespielt von Maika Monroe („Longlegs“) bedroht wird. Zunächst wirkt Polly wie die ideale Nanny: liebevoll, aufmerksam, unauffällig. Doch schon bald zeigt sich, dass hinter ihrem Lächeln etwas Dunkles lauert.

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Unbehagen in kleinen Dosen

Wer schon einmal in der Küche stand, kennt dieses Szenario: Man stellt einen Topf mit Wasser auf den Herd, die Minuten verstreichen, und stellt irritiert fest – das Wasser kocht nicht, weil man vergessen hat, die Hitze einzuschalten. Ähnlich verhält es sich mit „Die Hand an der Wiege“. Während der Auftakt noch eine dichte Grundstimmung aufbaut, begleitet vom unruhigen Puls der Musik, und auch das erste, kaum greifbare Aufeinandertreffen von Caitlin und Polly eine leise, fast schwebende Spannung erzeugt, flacht die siedende Hitze zunächst einmal ab. Es dauert, bis die Mechanik des Unbehagens wieder greift, bis das stille Gift des Misstrauens erneut zirkuliert und die Bedrohung fühlbar wird. Die Musik wirkt hier wie ein unsichtbarer Handgriff, verschiebt das Gewicht der Szenen und verstärkt die unterschwellige Angst, ohne jemals laut zu werden – sie ist das Herz, das den Rhythmus des Films bestimmt. Doch bis die Geschichte nachzieht, dauert es.

Die Hand an der Wiege Disney+ Film 2025 Hulu Original Film
Die Hand an der Wiege ©20th Century Studios

Das dramaturgische Konzept, das „Die Hand an der Wiege“ verfolgt, ist vertraut: die Konstellation, die Entwicklung der Bedrohung, die Eskalation – alles folgt bekannten Pfaden, wie auch die Auflösung, die kaum jemanden überraschen dürfte. Und doch gibt es Momente, in denen der Thriller aufblüht. Die Gewalt bricht unerwartet herein, aus dem Nichts, und mit ihr kehrt auch ein plotgetriebener Spannungsbogen zurück. Wenn die Musik in diesen Szenen wieder dominanter wird, verschiebt sich der gesamte Ton: Die Bedrohung ist wieder greifbar, der psychologische Druck intensiv, die Stimmung durchdringend. In diesen Augenblicken zeigt sich, dass „Die Hand an der Wiege“ trotz seines vertrauten Gerüsts funktioniert. Das macht das Remake zur soliden psychologischen Thriller-Unterhaltung, die zwar ihr dramatisches Potential nicht voll ausschöpft, aber dank der dichter Atmosphäre, musikalischer Steuerung und sorgfältig geführten Figuren dennoch fesselt – ein Film, der nach Schema F arbeitet, aber die Mechanik seines Unbehagens gekonnt auszuspielen weiß.

Die Hand an der Wiege Disney+ Film 2025 Hulu Original Film
Die Hand an der Wiege ©20th Century Studios

Fazit

„Die Hand an der Wiege“ erweist sich als solider psychologischer Thriller, der Atmosphäre über Schockeffekte stellt, zugleich aber etwas zu lange braucht, um seine Spannung vollständig zu entfalten.

Bewertung: 3 von 5.
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