Heweliusz: Kritik zur Netflix Serie – Das Schweigen nach dem Sturm

Heweliusz Netflix Serie 2025
TitelHeweliusz
Genre Drama
Jahr2025
FSK12
CreatorJan Holoubek

Starttermin: 05.11.2025 | Netflix

Nach einer wahren Geschichte

13. Januar 1993: Eine stürmische Nacht auf der Ostsee. Die Fähre Jan Heweliusz gerät in schwere See, kämpft gegen Wind und Wellen – und verliert. Nur wenige Stunden später sinkt sie vor der Küste Rügens. 55 Menschen sterben, neun überleben. Es ist eines der schwersten Unglücke in der Geschichte der Ostseeschifffahrt, ein Ereignis, das sich tief in das kollektive Gedächtnis Polens eingebrannt hat. Mehr als dreißig Jahre später nimmt sich Netflix dieser Tragödie an – und verwandelt sie in ein Drama über Schuld, Verantwortung und Erinnerung. „Heweliusz“ erzählt nicht nur die Geschichte eines Schiffs, das unterging, sondern auch die eines Landes, das mit seiner eigenen Ohnmacht konfrontiert wird – und eines Mannes, der sich weigert, das Meer die letzte Antwort geben zu lassen.

Heweliusz Netflix Serie 2025
Heweliusz ©Netflix

„Heweliusz“ beginnt ohne Vorwarnung. Keine langen Einführungen, keine ruhigen Momente der Annäherung. Stattdessen: Sturm. Peitschende Wellen, ein bedrohlich schwankendes Schiff, das Knarren von Stahl unter Druck. Schon in den ersten Minuten entfesselt die polnische Netflix Original Serie ein authentisches Spektakel. Die Kamera fährt über Deck, stürzt in die Fluten, dokumentiert Tod und Verwüstung. Digitale Effekte und durchkomponierte Bilder – aufwändig in großen Wassertanks gedreht – verleihen der Katastrophe eine fast physische Wucht. Man spürt den Wind, hört das Krachen der See, sieht das Licht in grellen, unruhigen Farben flackern. Das ist beeindruckend – visuell, technisch, atmosphärisch. Und doch offenbart sich genau hier der entscheidende Schwachpunkt der Miniserie: Sie sucht das Drama in der Wucht der Bilder, nicht in der Tiefe der Menschen.

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Wo Technik überzeugt und Menschlichkeit versinkt

Am Anfang ist niemand wirklich greifbar. Die Gesichter sind namenlos, die Panik gesichtslos. Man sieht Menschen schreien, fallen, von den Fluten verschlungen – aber man weiß nicht, wer sie sind. Keine Vorgeschichte, keine Verbindung, kein emotionaler Anker. Sie existieren zunächst als Teil eines großen Katastrophenapparats, als Körper im Sturm, nicht als Individuen mit Vergangenheit oder Hoffnung. So entstehen eindrucksvolle Bilder, aber keine Nähe. Das Publikum sieht zu, statt mitzufühlen. Erst im Verlauf der Erzählung gewinnen die Überlebenden und Angehörigen Konturen. Dann spürt man plötzlich, was vorher gefehlt hat: ihre Trauer, ihre Schuldgefühle, ihre verzweifelte Suche nach einer Wahrheit, die vielleicht gar nicht mehr zu finden ist. Diese emotionalen Momente funktionieren dann nur noch bedingt – sie kommen zu spät, wenn das Spektakel bereits alles überflutet hat. 

Heweliusz Netflix Serie 2025
Heweliusz ©Netflix

„Heweliusz“ ist ein Werk voller Ambivalenzen. Formal präzise, eindrucksvoll inszeniert, in seiner visuellen Kraft nahe an Wolfgang Petersens „Das Boot“ – aber emotional auf Abstand. Die Serie bewegt sich sicher in ihrer technischen Konstruktion, doch gerade diese Sicherheit lässt sie manchmal leblos wirken. Die Erzählung will zu viel und verliert dabei das Wesentliche aus den Augen: den Blick hinter die Fassade jener, die das Unglück überlebt haben. Zu viel Bürokratie, zu viel Ursachenforschung, zu wenig Menschlichkeit. Zwischen Sitzungsräumen, Ermittlungsakten und Schuldzuweisungen bleibt der Mensch oft nur Randfigur. Die Wucht der Bilder überdeckt die stilleren Fragen, die nach Nähe, Verlust und Erinnerung.  Was dann noch bleibt, ist ein starkes Bild der zerstörerischen Kraft des Meeres, einem Ungeheuer, das alles verschlingt – und auch die Geschichten derer, die in dieser Nacht untergingen. 

Heweliusz Netflix Serie 2025
Heweliusz ©Netflix

Fazit

Technisch überzeugend, atmosphärisch dicht, aber emotional distanziert: „Heweliusz“ beeindruckt durch Präzision und Wucht, verliert jedoch das Menschliche aus dem Blick – eindrucksvoll, aber kühl.

(ohne Wertung / Fazit nach zwei Episoden)

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