DER WATCHDOG

Titel	Ströme des Schicksals
Genre	Thriller, Drama
Jahr	2025
FSK	16
Regie	Fernando Meirelles, Quico Meirelles

Mehr als nur die nächste Fast-Food-Serie?

Inmitten der undurchsichtigen Suppe an gleichgeschalteten Netflix Serien verblassen die immergleichen Geschichten von Verrat, Liebe und Verbrechen meist zu flüchtigen Eintagsfliegen ohne Nachhall – wie zuletzt auch in „Unsagbare Sünden“ oder „Unter der schwarzen Sonne“. Auf den ersten Blick könnte man also vermuten, die brasilianische Miniserie „Ströme des Schicksals“ sei nur ein weiterer schnell vergessener Titel in diesem endlosen Strom. Doch ein Blick auf den Regiestuhl macht neugierig: Fernando Meirelles, dessen Name untrennbar mit Werken wie „City of God“ und „Der ewige Gärtner“ verbunden ist, verspricht mehr als flüchtigen Nonsens – und aus dem erwarteten Allerlei erwacht die Hoffnung auf ein fesselndes Drama, das Spuren hinterlässt. Aber gelingt das auch?

Und darum geht es…

Als die junge Janalice (Domithila Cattete) von einem Menschenhändlerring verschleppt wird, bricht für ihren Patenonkel Amadeu (Sandro Guerra) eine Welt zusammen. Verzweifelt wagt sie sich in die gefährlichen Tiefen des Amazonas, entschlossen, seine Nichte zurückzuholen. Auf demselben Strom treibt der Flusspirat Preá (Lucas Galvino), der seine eigenen Kämpfe mit Schuld und Überleben austrägt. Als sich ihre Wege kreuzen, entsteht eine fragile Allianz gegen ein Netz aus Gewalt und Macht. Doch in den dunklen Strömungen des Dschungels entscheidet nicht nur Mut über das Schicksal – sondern auch, welchen Preis beide bereit sind zu zahlen.

Authentizität trifft Konvention

„City of God“ bildete den pulsierenden Herzschlag der Favelas ab, ein visuelles Inferno aus Gewalt und Hoffnung, in dem jede Kameraeinstellung, jeder Schnitt und jede Figur – vom skrupellosen Gangster bis zum unschuldigen Kind – die brutale Schönheit des Überlebens einfängt und Fernando Meirelles’ unerschütterliches Gespür für Menschlichkeit zwischen den Trümmern von Armut, Verrat und unerbittlicher Realität zeigt. “Ströme des Schicksals” ist die Light-Version hiervon. Quasi die an Streamingkonventionen angepasste kleine Schwester. Im Kern immer noch authentisch und roh, aber weit weniger eindringlich und involvierend. Meirelles’ Handschrift ist spürbar in der visuellen Gestaltung und der akribischen Beobachtung seiner Umwelt, doch die erzählerische Tiefe, gerade wenn es um die Figuren geht, schwankt. So entwickelt sich “Stöme des Schicksals” trotz handwerklichen Geschicks schnell zur konventionellen Thriller-Erzählung.

Noch bevor die vermeintlich romantischen Südsee-Vibes der Eröffnungsszene sich setzen, beginnt für Janalice ein Abstieg, der von toxischer Männlichkeit geprägt ist: von einem falschen männlichen Arm in den nächsten getrieben, ausgeliefert an Erwartungen, Machtspiele und Gewalt. Ihr Weg wird so zum Spiegelbild der Rolle der Frau in ihrem Heimatland, eingefangen in einem System, das Übergriffigkeit, Unterdrückung und Verletzlichkeit unausweichlich verknüpft. Doch mit dem Zögern, radikal in die Abgründe zu blicken, verwirkt „Ströme des Schicksals“ einen großen Teil seiner erschütternden Wirkung. Statt die existenzielle Härte seiner Geschichte mit tiefergehender Figurenzeichnung zu unterfüttern, begnügt sich die Miniserie mit gängiger Genre-Motorik – das Resultat ist ein Werk, das formal überzeugt und atmosphärisch trägt, aber emotional nur selten die Wucht entfaltet, die Meirelles’ Name verspricht.