Creep: Kritik zum Horrorfilm mit Franka Potente – Jetzt auch als Mediabook

TitelCreep
Genre Horror, Thriller
Jahr2004
FSK16
RegieChristopher Smith

Heimkinostart: 22.05.2025 | Mediabook

Das Grauen lauert in den U-Bahn-Tunneln

Die frühen 2000er waren im Horrorkino geprägt von J-Horror, zahllosen Remakes und der aufkommenden Torture-Porn-Welle. Große Erfolge wie „The Ring“, „SAW“ oder „Wrong Turn“ dominierten die Aufmerksamkeit – und ließen kleinere Produktionen schnell untergehen. So auch „Creep“, das Debüt von Christopher Smith, der sich mittlerweile mit Werken wie „Triangle“ als feste Größe im Genre etabliert hat. Sein kleiner, fieser Slasher blieb an den Kinokassen weitgehend unbeachtet, entwickelte sich jedoch über DVD-Verkäufe und nächtliche TV-Ausstrahlungen zum Geheimtipp – und für viele zum kleinen Kultklassiker. Grund genug für die Busch Media Group, dem Film endlich ein lange überfälliges Blu-ray-Release zu spendieren.

Creep 2004 Film
Creep ©Busch Media Group

Und darum geht es…

Nach einer durchzechten Partynacht in London verpasst die angetrunkene Kate (Franka Potente) das letzte Taxi und beschließt, mit der U-Bahn nach Hause zu fahren. Während sie auf den Zug wartet, schläft sie auf einer Bank ein – und erwacht wenig später allein in der menschenleeren Station. Eingeschlossen unter den Straßen Londons, begegnet sie unerwartet ihrem aufdringlichen Kollegen Guy (Jeremy Sheffield), der sich bald als gefährlicher Angreifer entpuppt. Bevor er seinen Übergriff vollenden kann, wird er jedoch von einer unbekannten Gestalt in die Dunkelheit gezerrt – und brutal zugerichtet. Von Panik erfasst irrt Kate durch das labyrinthische Tunnelsystem, auf der Suche nach einem Ausweg – während sich das namenlose Grauen, das in den Schatten lauert, bereits an ihre Fersen heftet.

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Simpler Slasher oder tiefgehende Gesellschaftskritik? Irgendwie beides!

Tropfende Rohre, verdreckte Tunnel und enge Gänge – das verworrene Londoner U-Bahn-System eignet sich hervorragend als unheimlicher Schauplatz für das Horrorgenre. Viel muss gar nicht gezeigt werden, denn der Schrecken beginnt sich rasch im eigenen Kopf abzuspielen. Stets bleibt ungewiss, was hinter der nächsten dunklen Ecke lauern könnte, wodurch das klaustrophobische Labyrinth in „Creep“ zu einem nervenaufreibenden Erlebnis wird. Dass die Briten ein Gespür für beklemmende Schauplätze haben, bewiesen sie ein Jahr später auch mit „The Descent“, der heute als moderner Kultklassiker gilt. Regisseur Christopher Smith kann mit seinem Debüt zwar nicht ganz mithalten, nutzt Dunkelheit und Desorientierung aber ebenfalls gezielt, um den Horror wirkungsvoll zu entfalten. Sein Film ist düster, schmutzig und überraschend blutig. Smith lotet die Grenzen der FSK-16-Freigabe – die „Creep“ bereits bei seiner Veröffentlichung erhielt – voll aus und setzt auf handgemachte Effekte statt digitaler Spielereien. Doch es ist nicht allein das Blut, das den Magen umdreht – weit unangenehmer wirken die mit Abwasser gefluteten Gänge, das Rattengetier, das dreckige Inventar. Beim Zuschauen sehnt man sich regelrecht nach einer heißen Dusche. Während Smith in der Inszenierung also vieles richtig macht, treten beim Drehbuch und den schauspielerischen Leistungen deutliche Schwächen zutage. Die Ausgangssituation wirkt wenig plausibel, das Verhalten der Figuren ist oft schwer nachvollziehbar – was zwar zum Genre gehört und bis zu einem gewissen Grad verzeihlich ist, doch auch die Dialoge bleiben hölzern und emotionslos.

Creep ©Busch Media Group

Franka Potente liefert entsprechend bei Weitem nicht ihre stärkste Performance ab. Dabei ist ihre Figur Kate zunächst vielversprechend angelegt – selbstbestimmt und ohne aufgesetzte Sympathie – doch im Verlauf der Handlung verfällt sie zunehmend in die Rolle des passiven Opfers, anstatt über sich hinauszuwachsen. Spannend ist jedoch, dass sich unter der Oberfläche des vermeintlich simplen Monster-Slashers tiefere gesellschaftliche Abgründe auftun. Der marode Zustand des U-Bahn-Systems wird zum Sinnbild einer unterdrückten Realität, die in der polierten Oberwelt keinen Platz hat. Hier unten regiert der Verfall – nicht nur architektonisch, sondern auch moralisch. Das namenlose Grauen, das durch die Tunnel schleicht, steht exemplarisch für das, was wir gerne verdrängen: die Überbleibsel sozialer Kälte, Ausgrenzung und Gewalt. Besonders der Antagonist – deformiert, sprachlos und in völliger Isolation aufgewachsen – wirkt wie ein Produkt eines Systems, das seine schwächsten Glieder nicht nur im Stich lässt, sondern förmlich ausspuckt. So wird „Creep“ trotz seines einfachen Plots zu einer düsteren Metapher für eine Gesellschaft, die lieber wegsieht, wenn das Elend unter der Oberfläche gärt. Auch patriarchale Strukturen werden thematisiert: Kate wird Opfer eines versuchten sexuellen Übergriffs durch einen Kollegen – der vermeintliche Retter, der sogenannte „Good Guy“, entpuppt sich selbst rasch als übergriffiges Monster, das seine weiblichen Opfer mit verstörender Obsession quält. Sicherheit existiert in „Creep“ für Frauen schlicht nicht – weder in der Gesellschaftsschicht über der Erde noch in der grausamen Unterwelt.

Creep ©Busch Media Group
Creep ©Busch Media Group

Fazit

Mit seiner klaustrophobischen Location und den blutigen Effekten erscheint „Creep“ auf den ersten Blick wie ein wirkungsvoller, aber simpler Monster-Slasher. Unter der Oberfläche entpuppt er sich jedoch als clevere Gesellschaftskritik, die soziale und patriarchale Strukturen thematisiert. Bei weitem nicht frei von Makeln, bleibt der Film dennoch eine unterschätzte Horrorperle aus den 2000ern.

Bewertung: 3.5 von 5.
Creep 2004 Film

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