Achtsam Morden: Kritik zur Netflix Serie – Das deutsche „Dexter“?

Zwischen Meditation und Mordlust

Tagsüber Forensiker beim Miami Police Department, nachts Serienmörder. Wenn Dexter Morgan, getrieben von einem inneren Drang und in einem Akt der Selbstjustiz, ungesühnten Mörder*innen das Handwerk legt und dabei nicht minder bestialisch vorgeht, wie die, die er bestraft, dann drücken wir ihm die Daumen. Sobald die Grenzen zwischen Recht und Unrecht verschmelzen, wird die Faszination für die dunkle Seite des Menschen erst so spannend – erst recht, wenn sie so charismatisch ist. Ähnlich wie der Titel(anti)held des US-amerikanischen Vorbilds „Dexter“ hat auch Björn, der Protagonist der neuen Netflix Serie “Achtsam Morden”, einen strengen Kodex, an den er sich hält, jedoch nicht im Namen der Gerechtigkeit, sondern der Achtsamkeit.

Und darum geht es…

So geht das nicht weiter: Die Arbeit begräbt einen großen Teil seines Lebens unter sich, sodass Björn Diemel (Tom Schilling) kaum noch Zeit für seine Tochter findet. Also beschließt der arbeitsame Rechtsanwalt, an einem Achtsamkeitsseminar teilzunehmen. Doch das Vorhaben, eine gesunde Work-Life-Balance in sein Leben zu integrieren, gestaltet sich mit seinen speziellen Mandanten etwas schwierig, zu denen unter anderem der Mafiosi Dragan Sergowicz (Sascha Geršak) gehört. Als Björns Lebenswandel einen Mord nach sich zieht, muss er feststellen, dass die einzige Möglichkeit, seine Achtsamkeit konsequent anzuwenden, weitere Morde sind.

Unser Fazit nach zwei Episoden

Basierend auf der gleichnamigen Bestseller-Reihe von Karsten Dusse, erzählt “Achtsam morden” in acht Episoden von einem Mann, der wie viele in diesen chaotischen Zeiten nach innerem Frieden sterbt – und dadurch eine ziemlich blutige Sauerei veranstaltet. Mit dem richtigen Mindset hat jede*r das Zeug zur Killer*in, man muss nur seine Mitte finden. Dass Björn als windiger Rechtsanwalt mit Mafiaverbindung von Berufswegen ohnehin schon nahe am mit Drogen, Waffen und Steuerhinterziehung gesäumten Wasser gebaut ist, mag den Übergang zwar leichter machen – für das Zerteilen eines Leichnams bedarf es dann aber doch harter Nerven und einer sehr elastischen Definition von Selbstfürsorge. Das pechschwarze Comedy-Programm, das “Achtsam morden” verspricht, wird auch geliefert. So entpuppen sich bereits die ersten beiden Episoden als die erhoffte abgründige Reise zur ultimativen inneren Balance mit manchmal zwar gestelzten, dafür aber umso pointierteren Dia- und Monologen.

^{Achtsam Morden ©Netflix}

Wenn Björn bereits in der Eröffnungsszene mit der meditativen Ruhe eines Zen-Meisters den hungrigen Mund einer gierig mahlenden Häckselmaschine mit menschlichen Überreste füttert, verfliegen die durch das eher abschreckende Prädikat Made in Germany verursachten Zweifel in Windeseile – und die geschredderten Mafiosibeine in Form von Fleisch- und Knochenpartikel gleich mit. Während sich der Plot hinreichend Zeit nimmt, um sich nicht zu überstürzt in unbeholfenes Morden zu stürzen, scheint sich Tom Schilling sichtlich wohl in der ambivalenten Haut des meditativen Anwalts auf Abwegen zu fühlen. Das “Achtsam morden” tonal, dann doch in eine etwas andere Richtung schlägt, als der “Dexter”-Vergleich nahelegen könnte, ändert wenig daran, dass die deutsche Komödie nicht mindestens genauso gut funktioniert. Am Ende vielleicht sogar ein gutes Stück besser – wir werden sehen!