DER WATCHDOG

Titel	An ihrer Stelle
Genre	Drama, Krimi
Jahr	2024
FSK	12
Regie	Rama Burshtein-Shay

True-Crime mal anders!

Im Jahr 1955 erschoss die chilenische Schriftstellerin María Carolina Geel ihren Geliebten während eines gemeinsamen Restaurantbesuchs vor den Augen zahlreicher Zeugen während die Tat von viele als kaltblütiges Verbrechen angesehen wurde, sahen andere darin einen verzweifelten Akt der Selbstverteidigung. Die Wahrheit? Ein Mosaik aus Gerüchten und Halbwahrheiten, das bis heute Fragezeichen hinterlässt. War es ein Moment der Leidenschaft oder geplanter Mord? Über die Hintergründe schwieg Geel bis zu ihrem Tod. Auch wenn das auf wahren Begebenheiten basierende Netflix Original “An ihrer Stelle” sich dieser Geschichte bedient, erzählt es doch eine andere – und könnte dadurch nicht weiter von dem entfernt sein, was True Crime

Und darum geht es…

Chile, 1955: Nachdem die erfolgreiche Romanautorin María Carolina Geel (Francisca Lewin) ihren Geliebten kaltblütig in einem gut besuchten Restaurant erschießt, findet sie sich wenig später vor Gericht wieder, wo sie das Interesse der Gerichtssekretärin Mercedes (Elisa Zulueta) auf sich zieht. Als Geel hinter Gittern kommt und Mercedes aus geschäftlichen Gründen Zugang zu ihrem leerstehenden Haus erhält, beginnt sie sich mehr und mehr in Geels Räumlichkeiten zu verlieren. Sie trägt ihre Kleider, übernachtet in ihrem Bett – bis sie schließlich einen Großteil ihrer Freizeit dort erbringt, während sie zunehmend an ihrem eigenen Leben zweifelt und dem, wie sie als Frau von ihrer Umwelt wahrgenommen wird.

Hinter Gittern fängt die Freiheit erst an

Ein kaltblütiger Mord, ein mysteriöses Tatmotiv und einen Berg voll offener Fragen – der Stoff aus dem True Crime gemacht ist! Und genau das ist “An ihrer Stelle” nicht! Statt sich im Fahrwasser jüngster True Crime-Erfolge wie “Monster: Die Geschichte von Lyle und Erik Menendez” und “Dahmer – Monster: Die Geschichte von Jeffrey Dahmer” ebenfalls an reißerisch abgewickelter Unterhaltung zu versuchen, geht das chilenische Drama einen entschieden anderen Weg. Die wahre Geschichte von María Carolina Geel tritt dabei schnell in den Hintergrund, um stattdessen einer intimen, kleinen Fabel über weibliche Emanzipation zu weichen, in der eine fiktionalen Frauenfigur im verlassenen Anwesen der inhaftierten Mörderin endlich Frieden findet.

In ihrem neuen Refugium erfährt Mercedes endlich die Freiheit und Selbstbestimmtheit, die ihr fernab der patriarchalen Strukturen immer verwehrt wurde. Ein Ort, an dem sie nicht ausschließlich auf ihre Eigenschaft als Ehefrau, Mutter und Angestellte reduziert wird. Ein Ort an dem sie, sie selbst sein kann. Metaphorisch spannt “An ihrer Stelle” mit dieser Erkenntnis einen Bogen zur Geschichte der echten María Carolina Geel, die während ihrer Haftzeit ihre kreativsten und erfolgreichsten Werke zu Papier brachte. Gefangen, um frei zu sein. Ein Mord als Akt der Emanzipation? Daran, dass Rama Burshtein-Shay mit ihrer allegorischen Herangehensweise an den Fall Geel die Erwartungshaltung der Zuschauerschaft konsequent unterwandert und eben keine klassische True Crime-Geschichte erzählt, dürfte sich nicht wenige stoßen – weniger interessant wird “An ihrer Stelle” dadurch aber noch lange nicht.

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