Die Zeit der Wölfe – Kritik

TitelDie Zeit der Wölfe
Genre Horror
Jahr1984
FSK16
RegieNeil Jordan

Heimkinostart: 24.05.2025 | Mediabook

Grimmiger als Grimm

In den 80ern gab es zahlreiche Werwolf-Filme, wie beispielsweise „American Werewolf“, „Ein Werwolf beißt sich durch“, „The Night of the Werewolf“, „Wolfen“, oder „Das Tier“, allesamt 1981 erschienen. Drei Jahre später brachte uns der irische Regisseur Neil Jordan („The Crying Game“, „Interview mit einem Vampir“) das gothische Fantasy-Horrormärchen „Die Zeit der Wölfe“, basierend auf den Kurzgeschichten „The Werewolf“ und „The Company of Wolves“ aus der Märchenanthologie „Blaubarts Zimmer“ (1979) von Drehbuch-Co-Autorin Angela Carter, die wiederum lose auf der Geschichte vom Rotkäppchen basieren. Was „Die Zeit der Wölfe“ von den 80s-Wolfhorrorbeiträgen unterscheidet ist seine verschachtelte Story-in-Story-Erzählweise, sowie der fiebertraumartige Versuch das Unterbewusstsein samt der Sehnsüchte, Ängste, und sexuellen Fantasien der jungen menstruationsbeginnenden Protagonistin zu verbildlichen, weshalb es nicht abwegig wäre, „Die Zeit der Wölfe“ auch als düstere Comic-of-Age-Story zu bezeichnen.

Die Zeit der Wölfe ©Pandastorm Pictures

Und darum geht es…

Die junge Rosaleen (Sarah Patterson) verliert sich in ihren Albträumen, in denen ihre Schwestern von einem Werwolf getötet wird und ihre Großmutter (Angela Lansbury) sie vor der Bestie im Mann warnt. Traum und Wirklichkeit vermischen sich zunehmend.

Die Zeit der Wölfe ©Pandastorm Pictures

Deine Schönheit zieht sie an, und ein Wolf ist jeder Mann!


Dass die kinderfreundlichen Märchen aus der Sammlung der Gebrüder Grimm viel makabre Ursprünge haben ist längst bekannt. Auch die Rotkäppchen-Geschichte vom Franzosen Charles Perrault (1697) enthält sexuelle Anspielungen und endet grausam. Neil Jordan und Angela Carter nahmen sich für „Die Zeit der Wöfe“ die grimmige Interpretation zum Vorbild und schufen ein atmosphärisches, symbollastiges, und surreales Märchen, welches sich von den US-Werwolffilmen des Jahrzehnts abhebt. Das Ergebnis ist faszinierend und verwirrend zugleich und gilt nicht zu unrecht als einer der visuell beeindruckendsten Horrorfilme seiner Zeit. Tote gibt es insgesamt nur zwei, doch blutige Szenen sind durchaus vorhanden. Die CGI-losen Verwandlungsszenen können sich trotz des Alters auch heute noch sehen lassen. Die stimmungsvollen Landschaften und die albtraumhafte Szenerie tragen alle dazu bei, dass diese britische Folklore mehr zu gruseln weiß als manch moderner Horrorfilm. So wie die Großmutter vor dem bösen Wolf im Manne warnt, so seien auch die gängigen Filmzuschauer gewarnt. Denn als Mainstream-Popcorn-Ereignis kann „Die Zeit der Wölfe“ keineswegs erachtet werden. Der einzigartige und unklassifizierbare Film erfordert Aufmerksamkeit und die volle Sinneswahrnehmung, um die Details zu erfassen und zu verarbeiten, wie von Jordan und Carter beabsichtigt, was eine lohnende Mehrfachsichtung bietet.

Die Zeit der Wölfe ©Pandastorm Pictures

“Die Zeit der Wölfe” ist wahrscheinlich der originellste Film der 80er, mit Geschichten innerhalb von Geschichten und Rückblenden in Traumsequenzen (ironischerweise rät die Oma vom Abweichen des Hauptpfadens ab). Charaktere springen durch Epochen und Universen und der Inhalt verbindet mühelos nachdenkliche Metaphern mit altmodischen und einfachen Schockeffekten. Rosaleen wird von ihrer Oma vor Männern gewarnt, deren Augenbrauen sich berühren und die innen behaart sind, doch irgendwie begegnet Rosaleen ihnen immer wieder, ob bei Waldspaziergängen oder in Erzählungen. Die Rahmenhandlung ist außerordentlich, doch die Schachtelgeschichten sind herausragender. Sie sind jedoch alle miteinander verbunden, da sie sich um Wölfe drehen. Die junge Sarah Patterson stiehlt mit ihrer Darstellung als Rosaleen selbst den Schauspielurgesteinen Angela Lansbury, Terence Stamp, und David Warner die Show und liefert einen überzeugenden Reifeprozess. Seltsam wie der Film ist die Tatsache, dass Patterson nicht zum Weltstar herangereift ist. Die Mängel sind minimal und verschmerzbar, denn Neil Jordans Stil ist unverwechselbar und stilsicher, weshalb man seinen zweiten Spielfilm „Die Zeit der Wölfe“ bedenkenlos als Kunstwerk abstempeln darf.

Die Zeit der Wölfe ©Pandastorm Pictures

Fazit

Noch nie wurde der Reifeprozess einer jungen Heranwachsenden derart gruselig, verwirrend, und faszinierend zugleich visualisiert. Einer der originellsten und atmosphärischsten (Werwolf)Horrorfilme aller Zeiten!

Bewertung: 4 von 5.

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