Poor Things – Kritik

TitelPoor Things
Genre Drama, Komödie
Jahr2023
FSK16
RegieYorgos Lanthimos

Heimkinostart: 05.04.2024

A Barbie Girl in a Steampunk-World

Um die von Greta Gerwig, mit ihrer Spielzeugverfilmung der etwas anderen Art („Barbie“) losgelösten Feminismus-Offensive bei der diesjährigen Oscar®-Verleihung komplett zu machen, geht mit der insgesamt 11-fach nominierten Satire „Poor Things“ eine emanzipatorische Schwester im Geiste mit ins Rennen um die begehrten Goldjungen. Dass Yorgos Lanthimos ein Ausnahmeregisseur ist, konnte das kreative Gehirn hinter Filmen wie „The Favorite“, „The Lobster“ und „The Killing of a Sacred Deer” mehr als nur einmal unter Beweis stellen, sodass es kaum verwunderlich ist, dass seine Quasi-Barbie-Interpretation einen noch mal deutlich skurilleren Weg einschlägt als Gerwigs im Vergleich dann doch mainstreamlastiger Film. Doch kann “Poor Things”auch qualitativ mit dem knallpinken Kassenschlager mithalten?

Poor Things ©Searchlight Pictures

Und darum geht es…

Als Professor Dr. Godwin Baxter (Willem Dafoe) die Leiche einer jungen, bildschönen Frau (Emma Stone) am Ufer eines Gewässers entdeckt, ist ihr Körper bereits kalt, in ihrem inneren jedoch vernimmt er einen Herzschlag – den ihres ungeborenen Kindes. Der unkonventionelle Wissenschaftler, der in seiner Kindheit für seinen brillanten Vater selbst als Versuchsobjekt herhalten musste, wittert die Chance eines spannenden Experiments und transplantiert prompt das noch lebende Gehirn des Kindes, in den leblosen Körper der Mutter. Während die von God, wie sich Dr. Dr. Godwin Baxter selbst gerne zu nennen pflegt, auf den Namen Bella (unverändert: Emma Stone) getaufte Kindsfrau, die Männer (u.a. Mark Ruffalo u. Ramy Youssef) in ihrer Umgebung reihenweise um den Verstand bringt, durchlebt sie in ihrem anfangs kindlichen Geist eine rasche Entwicklung, getrieben von sexuellen Gelüsten, aufkeimender Selbstbestimmung und unersättlicher Neugier.

Poor Things ©Searchlight Pictures

Nichts ist so fragil wie ein gekränktes männliches Ego

Um den Elefanten im Raum von vornherein direkt zurück in die Manege, oder viel besser noch in die freie Wildbahn zu manövrieren: die insgesamt elf Oscar®-Nominierungen, mit denen “Poor Things” am 10. März in den Abend der Preisverleihung startet, darf die skurril-groteske Emanzipationsgeschichte vorab schon einmal guten Gewissens als verdient verbuchen – egal wie viele Trophäen sie am Ende mit nach Hause nimmt. Ob das Make-up und die Frisuren von Nadia Stacey, Mark Coulier und Josh Weston, das Kostümdesign von Holly Waddington, die Kamera von Robbie Ryan, oder der Schnitt von Yorgos Mavropsaridis, “Poor Things” hat sich jede einzelne Nominierung redlich verdient – und bei den Hauptkategorien sieht es nicht anders aus. Wenn Emma Stone als Belle eine Entwicklung vom geistigen Larvenstadium bis hin zum die Flügel spreizenden Verstand einer gebildeten, aufgeklärten Frau durchlebt, ist ihre Performance schlichtweg brillant, während ihre ebenfalls nominierten Co-Stars Mark Ruffalo und Willem Dafoe trotz ihres großen Schattens eine glänzende Leistung abliefern.

Poor Things ©Searchlight Pictures

Wenn Belle, als kindlich-naives wie puppenhaftes Objekts der Begierde, als das sie von den geifernden Männeraugen wahrgenommen wird, ungeniert die gesellschaftliche Mauer überwindet, dann meist im Superweitwinkel und/oder durch Fischaugenlinsen, in viktorianischen Gewändern vor teils digitalen, teils aufwendig gestalteten, aber immer fantasiereichen Streampunk-Kulissen, irgendwo zwischen “The Favorite” und “Alice im Wunderland”. Beginnend als ästhetische “Frankensteins Braut”-Neuinterpretation in kontrastreichem Schwarzweiß, findet Lanthimos immer wieder neue kreative, oft absurd-komische Ideen, das Publikum auf der visuellen Ebene zu überraschen. In Form des morbiden schwarzen Humors manifestiert sich diese Komik auch in den Dialogen. Weit weniger on the nose als noch “Barbie”, aber nicht minder treffsicher in seinen Beobachtungen patriarchaler Strukturen, entpuppt sich “Poor Things” letzten Endes als ideale Ergänzung zu Gerwigs Oscar®-Beitrag, was quasi nach einem Double-Feature der beiden Titel verlangt. Mehr als nur sehenswert sind schließlich beide – und “Poor Things” sogar noch ein Stückchen mehr!

Poor Things ©Searchlight Pictures

Fazit

Die morbider schwarzhumorige Schwester von “Barbie”. Ganz großes Kino!

Bewertung: 4.5 von 5.

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