| Titel | The Iron Claw |
| Genre | Drama, Biopic |
| Jahr | 2023 |
| FSK | 12 |
| Regie | Sean Durkin |
Kinostart: 21.12.2023
Mehr als nur ein Film über Wrestling
Die Welt des Wrestlings ist ein Mikrokosmos für sich, der trotz einer breiten Fanmasse nicht wenige Menschen ratlos zurücklässt – unter anderem den Verfasser dieser Zeilen. Der Mix aus durchchoreografierten Schaukämpfen, echten körperlichen Höchstleistungen und der theatralischen Inszenierung menschlicher Dramen, wie man sie sonst nur aus Soap-Operas kennt, dient in “The Iron Claw” als Schauplatz einer tragischen Familiengeschichte, die, hätte sie sich nicht genauso zugetragen, eigentlich viel zu finster ist, um wahr zu sein. Wer nun, abgeschreckt vom Wrestling-Korsett, einen weiten Bogen um das von A24 produzierte Drama machen möchte, sollte sich das gut überlegen. Wenn Zac Efron und Jeremy Allen White ihre neugewonnene Muskelmasse präsentieren – erstgenannter könnte mit seinem entwässerten, kaum noch Körperfettanteil aufweisenden Bodybuilder-Look eigentlich direkt auf die Wettkampfbühne – ist das nicht nur großes Schauspielkino, sondern auch einer der interessantesten Filme des gesamten Jahre!

Und darum geht es…
Seit ihrer Geburt eifern die Von Erich-Brüder Kevin (Zac Efron), Kerry (Jeremy Allen White), Mike (Stanley Simons) und David (Harris Dickinson) ihrem Vater Fritz (Holt McCallany) nach, unter dessen strenger Hand, die Vier zu talentierten Wrestlern heranwachsen. Doch der raue Umgang und der Leistungsdruck des dominanten Familienoberhaupts bringen auch ihre Schattenseiten mit sich. So selbst- und siegessicher sich die Geschwister im Ring präsentieren, so fragil sieht es unter der athletischen Muskelmasse aus. Da dauert es nicht lange, bis sich ein heftiger Schicksalsschlag an den anderen reiht und die Familie immer tiefer in den Abgrund zieht – sportliche Erfolge hin oder her!


Stählerne Körper und zerbrechliche Seelen
Wenn man mit der wahren, von Schicksalsschlägen geplagten Geschichte der Von Erich-Familie vertraut ist – bitte lest euch vorab nicht ein! – liegt die Befruchtung nahe, “The Iron Claw” könnte leicht in die Gefilde eines melodramatischen Rührstücks abdriften. Stattdessen erweist sich das Sportler-Biopic, ähnlich wie seine zur Emotionslosigkeit herangezüchteten Protagonisten, als ungemütlich unterkühlt, wenngleich es unter der stählernen Oberfläche doch gewaltig brodelt. Die Beiläufigkeit, mit der Sean Durkin dem Publikum eine Tragödie nach der anderen um die Ohren haut – und sich eben nicht darin suhlt – geht mit einer lähmenden Ohnmacht einher. Die Folgen: Ungläubigkeit und Schockstarre – bis auch das letzte Haar am Körper zu Berge steht. Dabei sind es die glücklichen Momentaufnahmen aus dem Leben der eng miteinander verwachsenen Geschwister, die dem tragischen Abstieg eine umso größere Fallhöhe geben.

Im Schatten des Misserfolgs einer toxischen Vaterfigur wachsen Kevin, Kerry, Mike und David zu einer einerseits eingeschworen-herzlichen Gemeinschaft zusammen, lernen dabei aber nie richtig mit ihren Gefühlen umzugehen, geschweige denn zu ihnen zu stehen. Seit dem frühen Tod seines älteren Bruders noch im Kindesalter glaubt Kevin fest an einen Fluch, der auf der Familie lastet, dabei ist es einzig und alleine das fragile Elternhaus, das die Familie in den Abgrund zieht. Da ist es wenig verwunderlich, dass Kevin erst bei seiner eigenen, von seinen Werten geprägten kleinen Familie lernt, zu seiner Trauer zu stehen und ihr mit Tränen Ausdruck zu verleihen. Bis dahin ist dies ausschließlich den weiblichen Figuren vorbehalten, während die Brüder ihren Schmerz in Wut und Selbsthass kanalisieren, oder ihn, wenn er sich doch einmal Bahn bricht, hinter den das Gesicht verschleiernden Haarsträhnen oder der Kameraunschärfe zu verbergen.

Fazit
Trotz der Verortung in der Welt des Wrestlings findet das wahre Spektakel außerhalb des Rings ab – in Form eines aufwühlenden Familiendramas, dass noch lange über den Abspann hinaus seine Wirkung zeigt!

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