Horror als Metapher! Kaum ein anderes Genre eignet sich so sehr, geistige, seelische oder auch gesellschaftliche Probleme aufzuarbeiten, wie das des Horrorfilms. Da sich der irdische Schrecken meist schwer in Worte fassen lässt, greifen Filmschaffende oft auf metaphorische Bilder zurück und geben ihm dadurch ein greifbares Gesicht. Ob das Älterwerden in “Relic – Dunkles Vermächtnis”, toxische Männlichkeit in “Men” oder sexuell übertragbare Krankheiten in “It Follows” – der übernatürliche Spuk dient häufig einem übergeordneten Thema und visualisiert dabei zutiefst menschliche Ängste. So auch in “Shephert”, einem audiovisuell berauschenden Slow-Burner über die beängstigende Kraft der Schuld!

Handlung
Um mit der Trauer über den tragischen Tod seiner Ehefrau hinwegzukommen, zieht sich Eric Black immer mehr zurück. Ein Job als Schafhirte auf einer einsamen Insel irgendwo in Schottland scheint genau das zu sein, was er gerade sucht. Dort angekommen, muss er jedoch schnell feststellen, dass er doch nicht so alleine ist, wie erhofft. Die Anwesenheit einer unheimlichen Präsenz lässt den jungen Mann mehr und mehr an seinem Verstand zweifeln…

Kritik
Isolation, Trauma und allem voran die Schuld! “The Shepherd” bietet allegorischen Horror der gemächlichen Sorte, dessen Schrecken sich lange Zeit auf der psychologischen Ebene abspielt. Schon der Auftakt ist unglaublich atmosphärisch in Szene gesetzt und sieht dabei schlichtweg fantastisch aus. Dass sich die nebelbehangenen Weiten der Berglandschaften als idealer Schauplatz für ein gruseliges Horrormärchen eignen, haben dieses Jahr bereits der alpine Albtraum „Luzifer“ und die skandinavische Horrorgroteske „Lamb“ bewiesen. “The Shepherd” reiht sich hier optisch nahtlos ein, auch wenn der britische Slow-Burner die anfängliche Stärke irgendwann zugunsten klassischer Schockmomente über Bord wirft. Auch eine gewisse Stagnation im Mittelteil ist nicht von der Hand zu weisen, was dabei aber zumindest vom bärenstarken Score kaschiert wird. Der kriecht sich nämlich von Anfang an in die Gehörgänge und macht sich dort mit wadernden, drückenden Klängen breit, die die bedrohliche Stimmung nochmal unterstreichen.

“Shepherd” aka the Best of Robert Eggers! Dass Russell Owen ein großer Fan des “The Northmen“-Regisseurs zu sein scheint, ist unverkennbar. So kombiniert er für sein entschleunigtes Horrordrama diverse Elemente aus dessen noch recht überschaubaren, aber umso interessanteren Filmografie und macht dies bisweilen sogar unglaublich gut, ehe er sich ab der Hälfte der Laufzeit dann doch den Genrekonventionen geschlagen gibt. Die Abgeschiedenheit und Isolation von „The Lighthouse“ – sogar ein Leuchtturm übernimmt auch hier eine tragende Rolle – und die stimmige Inszenierung samt angedeuteter Hexen-Thematik von „The VVitch“ erhalten beide Einzug in Owens vierte Regiearbeit, wirken dabei aber stets eigenständig genug, um nicht zum billigen Abklatsch zu verkommen. Wenn “The Shepherd” dann jedoch die metaphorische Ebene zugunsten visuellem Horror verlässt, büßt er dadurch auch qualitativ einiges ein und verkommt immer mehr zum generischen Gruselschocker.

Fazit
Ein atmosphärischer Slow-Burner!
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